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Vergiss mein nicht

Vergiss mein nicht

Titel: Vergiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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müssen. Daher brauchte Jeffrey eine gewisse Distanz zwischen sich und ihm.
    » Das hier ist ein Bild von Wendy im Alter von drei Jahren«, sagte Paul und zeigte Jeffrey das Foto eines glücklich wirkenden Kindes. Obwohl das Bild vor so vielen Jahren gemacht worden war, konnte Jeffrey sofort erkennen, dass die Kleine auf dem Foto zu Jenny Weaver herangewachsen war.
    » War das kurz vor ihrem Verschwinden?«, fragte Jeffrey und schob das Foto über den Schreibtisch zurück.
    Der Mann nickte und präsentierte Jeffrey ein weiteres Foto. » Wanda hat sie kurz danach verschleppt.«
    Jeffrey schaute sich das Foto aufmerksam an, obwohl er auf den ersten Blick Wanda Jennings als Dottie Weaver erkannte. Auch dieses Foto schob er zurück und sah zu, wie Paul sie übereinanderlegte. Das Bild, auf dem Dottie Weaver zu sehen war, legte er nach unten, wohl damit er sie während des Gesprächs nicht vor Augen hatte.
    » Bitte sagen Sie mir, wann genau Ihre Frau und Ihre Tochter verschwunden sind.«
    Paul nahm eine neue Sitzhaltung ein. » Wir lebten in Kanada, wo ich die Universität besuchte«, sagte er. » Plastikverkleidungen waren eigentlich nicht das, womit ich mein Berufsleben verbringen wollte. Aber als mir Wendy genommen wurde…« Er hielt inne, ein bekümmertes Lächeln auf den Lippen. » Wanda arbeitete als Krankenschwester in der Klinik. Ich würde sagen, sie war ungefähr fünf Monate dort, als die Unterstellungen laut wurden.«
    » Was für Unterstellungen?«
    » Sie arbeitete auf der Entbindungsstation«, sagte Paul. » Es gab Gerüchte, dass irgendwas nicht stimmte. Es ging irgendwas vor.« Er atmete tief durch. » Ich habe natürlich nichts darauf gegeben. Wir waren zu der Zeit drei Jahre verheiratet. Ich liebte meine Frau. Ich hätte niemals gedacht, dass sie fähig sein könnte, so etwas… Frauen machen doch solche Sachen nicht, oder?«
    Jeffrey blieb stumm. Sie wussten beide die Antwort darauf.
    Paul fing wieder an: » Sie wurde also suspendiert, solange man die Beschuldigungen prüfte. Babys können natürlich nicht erzählen, was man ihnen angetan hat, aber es gab Gerüchte über physische Spuren. Ich glaubte immer noch nicht, was die Leute sagten, bis es eines Tages an der Tür klopfte. Zwei Polizisten wollten mit mir sprechen.«
    » Wo war Ihre Frau?«
    » Einkaufen. Ich nehme an, man hatte uns unter Beobachtung, denn die beiden klopften, als sie keine zehn Minuten aus dem Haus war.«
    Jeffrey bedeutete ihm mit einem Kopfnicken, er möge weiterreden.
    » Man hat mir von den physischen Beweisen erzählt«, sagte er. » Sie hatten Fotos und…« Er hörte zu sprechen auf. » Es war sehr drastisch.«
    » Sie brauchen mir nicht zu erzählen, was man entdeckt hat«, unterbrach Jeffrey, und Paul reagierte höchst erleichtert.
    » Sie wollten sich Wendy ansehen, um festzustellen, ob auch sie…« Er hielt inne. » Ich konnte immer noch nicht hinnehmen, dass Wanda diese Dinge getan haben sollte, geschweige denn, dass sie sich etwa an unserer eigenen Tochter vergangen haben könnte. Wanda versteht sich sehr gut darauf, anderen Menschen vorzugaukeln, sie sei vertrauenswürdig.«
    » Ja«, stimmte Jeffrey zu, denn das hatte er persönlich erlebt.
    » Als Wanda vom Einkaufen zurückkam, konfrontierte ich sie damit, was man mir gesagt hatte. Wir stritten uns. Irgendwie schaffte sie es dann doch, mich zu überzeugen, dass die Polizei sich irrte, dass es in Wahrheit um eine andere Frau im Krankenhaus ging. Eine Krankenschwester, der ich einige Male begegnet war und die ich, ehrlich gesagt, nicht mochte.«
    » Menschen wie Ihre Frau können sehr überzeugend wirken.«
    » Ja«, sagte Paul. » Eine Woche verstrich, und die Sache blieb in den Schlagzeilen. Die Polizei hat dann tatsächlich gegen diese andere Frau ermittelt.« Ihm kamen die Tränen. » Wir glauben, was wir glauben wollen, nicht wahr?«
    Jeffrey nickte.
    » Es war ungefähr drei Wochen später, als die Polizei wieder auftauchte. Diesmal hatten sie einen Durchsuchungsbeschluss.« Paul blickte auf das Foto seines Kindes und legte die Hände links und rechts davon auf den Schreibtisch. » Am Tag zuvor hatten sie mit ihr geredet. Es war ein offizielles Verhör. Ich vermute, sie hatten endlich genug Beweise, um wirklich etwas zu unternehmen.« Er sah Jeffrey an. » Sie kamen sehr früh, gegen sechs Uhr morgens. Ich schlief noch.« Er lachte gequält. » Ich war am Abend zuvor lange wach geblieben, um für eine Prüfung zu lernen. Wie konnte mir so etwas nur wichtig

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