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Vergiss mein nicht

Vergiss mein nicht

Titel: Vergiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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wenn sie glaubten, er habe sich falsch verhalten. Wenn es wirklich darauf ankam, deckten Cops stets ihre Kollegen. Brad würde es tun, weil er Jeffrey fast verehrte. Und Lena, weil sie sich Jeffrey gegenüber verpflichtet fühlte, weil er sie in den Dienst zurückgeholt hatte.
    Das alles machte es Jeffrey noch schwerer.
    Beide Männer schwiegen. Jeffrey wandte den Kopf und sah auf die Regale an der gegenüberliegenden Wand. Dort standen die Trophäen, die er bei Schießwettbewerben gewonnen hatte. Ein alter Football aus der Zeit, als er für Auburn gespielt hatte, lag auf dem untersten Bord. Fotos von Leuten, mit denen er in Grant gearbeitet hatte, und Bilder von einigen Freunden aus seiner Zeit damals in Birmingham standen neben zwei Schnappschüssen von Sara, die er während ihrer Flitterwochen gemacht hatte. Die hatte er erst kürzlich aufgestellt, seit sie sich wieder trafen. Jetzt war er unsicher, ob er diese Bilder noch in seinem Büro haben wollte. Und ob er sich überhaupt wünschte, dass Sara wieder einen Platz in seinem Leben einnahm. Jeffrey konnte noch nicht verwinden, wie distanziert sie letzte Nacht gewesen war, sich bei der kleinsten Berührung verkrampft und ihm gesagt hatte, was er tun sollte. Als hätte er keine Ahnung, als hätte er es nicht schon hunderte Male mit anderen Frauen getan, die verdammt viel aufgeschlossener gewesen waren als Sara.
    Frank drehte sich auf seinem Stuhl um, als die Klapptüren, die den großen Arbeitsraum vom Empfangsbereich trennten, geöffnet wurden. Sara kam herein, ihre Aktentasche in der Hand. Sie trug ein hellblaues Kleid, das wie ein überdimensionales T-Shirt aussah. Jeffrey stellte fest, dass sie dieses Ensemble mit Tennisschuhen ohne Socken komplettiert hatte. Wahrscheinlich hatte sie auch noch unrasierte Beine.
    Beide Männer schauten zu, wie Sara aufs Büro zusteuerte. Ihr Haar war völlig zerzaust, und Jeffrey fragte sich, ob sie sich heute überhaupt schon gekämmt hatte. Sara hatte sich noch nie um Mode gekümmert, und nur ganz selten trug sie Make-up. Manchmal machte sie das besonders sexy, aber manchmal auch schlampig, als sei es für sie wichtiger, Ärztin als Frau zu sein. Als sie näher kam, sah Jeffrey, dass ihr die Brille wieder schief auf der Nase saß. Aus irgendeinem Grund störte ihn das mehr als alles andere.
    Frank und Jeffrey standen auf, als sie hereinkam.
    » Hi«, sagte sie mit einem nervösen Lächeln. Es freute Jeffrey, dass sie befangen war.
    » Hallo«, sagte Frank und knöpfte seine Jacke zu.
    Sara lächelte Frank an und sagte: » Ich hab Nick Shelton angerufen.« Das bezog sich auf den für Grant County zuständigen Agenten des Georgia Bureau of Investigation. » Ich hab ihn gebeten nachzusehen, ob es noch andere Fälle mit so einer Verstümmelung gegeben hat. Bis spätestens Mittwoch will er uns Bescheid geben.«
    Als Jeffrey darauf nicht einging, kommentierte Frank: » Gute Idee.«
    » Und«, fuhr Sara fort, » ich hab auch in den Krankenhäusern angerufen. Gestern Abend ist keine Frau, die entbunden hatte, erschienen, um sich nachbehandeln zu lassen. Für den Fall, dass jemand eingeliefert wird, hab ich die Nummer vom Revier hinterlassen.«
    Frank zupfte an seinem Hemdkragen. » Glaubst du nicht, das Mädchen könnte sich das selbst zugefügt haben? Diese Beschneidungsgeschichte?«
    » Um Gottes willen, nein, niemals«, reagierte Sara konsterniert. » Und Beschneidung ist das falsche Wort«, korrigierte sie ihn. » Was wir hier haben, ist eher eine regelrechte Kastration. Die Klitoris und die inneren Schamlippen wurden vollständig abgeschabt. Und der Rest wurde mit Zwirn zusammengenäht.«
    » Oh«, sagte Frank. Offensichtlich hatte er es so genau nicht wissen wollen.
    Sara schürzte die Lippen. » Das ist in etwa so, als würde einem Mann der Penis abgeschnitten.«
    Frank blickte peinlich berührt zwischen Jeffrey und Sara hin und her.
    » Wie dem auch sei«, Sara deutete auf ihre Aktentasche. » Fangen wir an mit der Lagebesprechung?«
    » Die ist verschoben«, sagte Jeffrey. Er hörte sehr wohl, wie barsch er klang, aber er konnte einfach nichts dagegen machen. Als er angerufen hatte, um Sara zu bitten, früher in die Dienststelle zu kommen, hatte er nicht erwähnt, worum es ging. Jetzt sagte er zu ihr: » Dottie Weaver wird hier in ungefähr einer Viertelstunde auftauchen. Ich möchte sie so schnell wie möglich wieder nach Hause schicken.«
    » Aha«, sagte sie verblüfft. » Gut. Na, dann kann ich ja so lange in der Klinik

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