Vergiss mein nicht
sexuell aktiv ist.«
» Er ist doch gerade erst sechzehn geworden.«
» Jeffrey«, sagte Sara, als spräche sie mit einem geistig Zurückgebliebenen. » Zu mir kommen zehnjährige Mädchen, die noch nicht einmal ihre erste Periode hatten, und fragen mich über Verhütung aus.«
» Gütiger Himmel«, seufzte er. » Es ist noch viel zu früh am Morgen, um sich solche Sachen anzuhören.«
» Willkommen in meiner Welt.«
» Ja.« Er sah auf das Trikot an der Wand und versuchte sich daran zu erinnern, wie er sich in Mark Pattersons Alter gefühlt hatte, als man noch glaubte, die ganze Welt läge einem zu Füßen. Nur, dass Mark Patterson sich allem Anschein nach gar nicht so vorkam.
Jeffrey hasste es, sich so hilflos zu fühlen. Er sollte jetzt in Grant sein, um der Sache auf den Grund zu gehen. Und sei es nur, um ein Auge auf Lena zu haben. Schon eine ganze Weile hatte Jeffrey den Eindruck, dass sie am Abgrund stand, aber erst gestern war ihm klar geworden, dass sie tatsächlich zu fallen drohte.
» Jeff«, unterbrach Sara seine Gedanken. » Was ist los?«
» Ich mache mir Sorgen um Lena«, gestand er. Dieser Satz war ihm nur zu vertraut. Seit er sie vor zehn Jahren eingestellt hatte, hatte er sich immer wieder wegen Lena Sorgen gemacht. Anfangs bereitete es ihm Kummer, dass sie auf Streife so aggressiv und auf jede Festnahme erpicht war, als hinge ihr Leben davon ab. Dann machte es ihm Sorgen, dass sie sich als Detective zu oft in Gefahr begab, Verdächtige so malträtierte, dass sie fast zusammenbrachen, und sich selbst auch an den Rand des Zusammenbruchs trieb. Und jetzt hatte er Angst, dass sie ausrastete. Er war sogar eigentlich fest davon überzeugt, dass sie demnächst explodieren würde. Die Frage war nur, wann. Erschreckt verstand er plötzlich, dass er von Anfang an dieselbe Angst gehabt hatte: Wann würde Lena endgültig zerbrechen?
» Ich denke auch, du solltest dir ihretwegen Gedanken machen«, sagte Sara. » Warum stellst du sie nicht frei?«
» Weil sie das umbringen würde«, antwortete er, und er wusste genau, dass das stimmte. Lena brauchte ihren Job wie andere Leute die Luft zum Atmen.
» Ist irgendwas Besonderes gewesen?«
Jeffrey dachte an sein Gespräch mit Lena im Auto. Sie war sich nicht völlig sicher gewesen, als sie gesagt hatte, er habe schießen müssen. » Ich, äh«, begann er, wusste aber wieder nicht, was er sagen sollte. » Als ich gestern mit Lena gesprochen habe«, sagte er.
» Ja?«
» Da schien sie nicht ganz sicher zu sein, was passiert ist.«
» Was deinen Schuss betrifft?«, fragte Sara irritiert. » Was hat sie denn genau gesagt?«
» Es war nicht das, was sie gesagt hat, sondern wie sie es gesagt hat.«
Sara murmelte etwas, das nach einem Schimpfwort klang. » Sie treibt nur ihre Spielchen mit dir, um es mir heimzuzahlen.«
» So ist Lena nicht.«
» Und ob sie so ist«, gab Sara zurück. » Sie ist schon immer so gewesen.«
Jeffrey schüttelte den Kopf, denn das wollte er so nicht hinnehmen. » Ich denke, sie ist einfach unsicher.«
Sara fluchte wieder leise vor sich hin. » Ist ja toll.«
» Sara.« Jeffrey war bemüht, sie zu beruhigen. » Sag ihr bitte nichts, ja? Dadurch würde es nur noch schlimmer.«
» Warum sollte ich überhaupt mit ihr reden?«
» Sara…« Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und dachte, dass er im Moment einfach nicht darüber sprechen wollte. » Hör mal, ich wollte mich gerade auf den Weg ins Krankenhaus machen…«
» Das bringt mich einfach auf die Palme.«
» Ich weiß. Du hast es ja deutlich genug gemacht.«
» Ich wollte nur…«
» Sara«, unterbrach er. » Ich muss jetzt wirklich los.«
» Eigentlich«, sagte sie in etwas sanfterem Ton, » habe ich ja aus einem ganz anderen Grund angerufen. Hast du noch einen Moment Zeit?«
Erwartungsvoll fragte er. » Was gibt’s denn?«
Er hörte sie tief durchatmen, als wolle sie gleich von einer Klippe springen. » Ich habe mich gefragt, ob du wohl heute Abend zurück bist.«
» Wahrscheinlich, aber sehr spät.«
» Gut, also dann morgen Abend?«
» Wenn ich heute Abend zurück bin, brauch ich doch nicht morgen nochmal zurückzukommen.«
» Bist du absichtlich so begriffsstutzig?«
Er spulte in Gedanken noch einmal ihr Gespräch ab und musste grinsen, als ihm klar wurde, dass Sara ihn zu sich einladen wollte.
Er sagte: » Ich war noch nie ein helles Kerlchen.«
» Richtig«, stimmte sie zu und seufzte.
» Und?«
» Und…«, fing Sara an. Er hörte sie murmeln.
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