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Vergiss mein nicht

Vergiss mein nicht

Titel: Vergiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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als der Sohn seines Vaters.
    Jimmy Tolliver war im wahrsten Sinne des Wortes ein Gelegenheitsdieb gewesen. Er ließ keine Gelegenheit aus, stahl aber auch nie in großem Stil, was letztlich zu seinen Gunsten ausgelegt wurde, wenn sie ihn erwischten. Und erwischt wurde er immer. Jeffreys Mutter sagte, dass Jimmy in einem Gebäude voller Menschen nicht mal einen Furz lassen konnte, ohne sofort erwischt zu werden. Man sah ihm das schlechte Gewissen schon von weitem an, und er quatschte gern. Jimmys Mundwerk war sein Verhängnis: Er musste einfach für die Dinger, die er drehte, Anerkennung einheimsen. Es überraschte niemanden außer Jimmy Tolliver selbst, dass er am Ende im Gefängnis starb, wo er schließlich eine lebenslange Strafe wegen bewaffneten Raubüberfalls absaß.
    Schon mit zehn Jahren kannte Jeffrey beinahe jeden Mann bei der Polizei von Sylacauga mit Namen, denn immer wieder mal war einer von ihnen oder waren gar alle an der Haustür erschienen, weil sie Jimmy suchten. Die Streifenpolizisten kannten daher Jeffrey ebenfalls und unterhielten sich mit ihm, wenn sie ihn trafen. Damals hatte es Jeffrey schwer genervt, von der Polizei so behandelt zu werden. Er hatte das für reine Schikane gehalten. Inzwischen aber, selber Cop, wusste er, dass für die Polizisten diese Aktionen eine Art Präventivmaßnahme gewesen waren. Sie wollten ihre Zeit nicht damit verschwenden, noch einem Tolliver hinterherzujagen, weil er Rasenmäher und Häcksler aus Nachbars Garten geklaut hatte.
    Jeffrey verdankte diesen Cops eine ganze Menge, nicht zuletzt seine berufliche Karriere. Als die Cops jenes letzte Mal ins Haus gekommen waren und Jimmy in Handschellen gelegt hatten, sah er die Furcht in den Augen seines Vaters und hatte an Ort und Stelle beschlossen, Polizist zu werden. Jimmy Tolliver war ein Trunkenbold gewesen, und ein aggressiver obendrein. In den Augen der Einwohner in der Stadt war er nur ein glückloser Ganove und ein heruntergekommener Säufer. Für Jeffrey und seine Mutter aber war er ein gewalttätiges Arschloch, das seine Familie terrorisierte.
    Jeffrey zwang sich aufzustehen. Er reckte die Arme hinauf an die Decke, bis die Handflächen das warme Holz berührten. Als er ins Bad latschte, fiel ihm auf, dass sogar seine Socken zerknautscht waren. Irgendwann im Laufe der Nacht war das Fersenteil nach vorn gerutscht. Jeffrey hüpfte auf einem Fuß, um die Ferse wieder an die richtige Stelle zu ziehen, als er das Handy in seinem Zimmer klingeln hörte.
    » Mist«, schimpfte er. Als er um die Ecke rannte, prallte er mit der Schulter gegen die Wand. Das Haus schien erheblich geschrumpft zu sein, seit er hier aufgewachsen war.
    » Hallo.« Er nahm beim vierten Läuten ab, kurz bevor die Mailbox ansprang.
    » Jeff?«, fragte Sara leicht besorgt.
    Er ließ ihre Worte im Ohr nachklingen, bevor er sagte: » He, Babe.«
    Sie lachte, weil er sie so nannte. » Noch keine zehn Stunden in Alabama, und schon nennst du mich › Babe‹?« Sie wartete einen Augenblick. » Bist du allein?«
    Er war ein wenig verärgert, denn er wusste, dass ihre Frage nicht unbedingt ein Scherz war. » Natürlich bin ich allein«, blaffte er zurück. » Du lieber Himmel, Sara!«
    » Ich meinte deine Mutter«, sagte sie, aber das klang wenig überzeugend, und er ahnte, dass es eine Ausrede war.
    Er ging nicht weiter darauf ein. » Nein, man hat sie über Nacht im Krankenhaus behalten.« Er setzte sich aufs Bett, um sich die Socke richtig anzuziehen. » Sie ist irgendwie gefallen. Hat sich den Fuß gebrochen.«
    » Ist sie zu Hause hingefallen?«, fragte Sara. Das war keine reine Neugier. Er wusste, worauf sie hinauswollte. Sie fragte aus demselben Grund, weswegen er mitten in einem Fall persönlich nach Alabama gefahren war, statt nur zu telefonieren. Er hatte in Erfahrung bringen wollen, ob die Trinkerei seiner Mutter endgültig außer Kontrolle geraten war. May Tolliver war schon immer das gewesen, was höflich formuliert » noch funktionsfähige Alkoholikerin« hieß. Wenn sie jetzt hoffnungslos versackt war, würde Jeffrey etwas unternehmen müssen. Er hatte keine Ahnung, was, aber er wusste instinktiv, dass das nicht leicht sein würde.
    Jeffrey versuchte, Saras Fragen auszuweichen. » Ich hab mit dem Arzt gesprochen. Persönlich hab ich sie aber noch nicht fragen können, was denn nun wirklich passiert ist.« Er hoffte, sie würde die Botschaft begreifen. » Ich besuche sie heute, um herauszufinden, was eigentlich los ist.«
    » Sie wird

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