Vergiss mein nicht
wenn sie in die Mittelstufe kommen. Sie werden viel stiller.«
» Das hat ja auch Grace Patterson gesagt. Dass sie anfangen, Geheimnisse zu hüten.«
» Richtig«, stimmte Sara zu. » Ich habe die Veränderung der Pubertät zugeschrieben. Die vielen Hormone, all diese neuen Gefühle. Sie haben an vielen Dingen zu knacken und wissen dabei nur eins, nämlich dass die Erwachsenen völlig unfähig sind, sie zu verstehen.«
» Trotzdem«, wandte Jeffrey ein, » glaubst du nicht, dass sie mit dir gesprochen hätte, wenn sie ein solches Problem gehabt hätte?«
» Das würde ich ja gern glauben, aber ihre Mutter hätte sie hierherfahren müssen. Und ich kann die Mutter nicht einfach rausschicken, ohne dass sie misstrauisch wird.«
» Meinst du, Grace hätte etwas dagegen gehabt, euch allein zu lassen?«
» Ich glaube, sie hätte sich Gedanken gemacht. Sie ist eine gute Mutter. Sie kümmert sich um ihre Kinder und interessiert sich dafür, was sie treiben.«
» Das hat Brad auch gesagt.«
» Was hat denn Brad mit dieser Sache zu tun?«
» Er ist der Jugendpfarrer der Crescent Baptist.«
» Oh, stimmt ja«, schaltete Sara. » Dann muss er bei der Freizeit dabei gewesen sein.«
» Ja«, stimmte Jeffrey zu. » Acht aus der Kirche haben mitgemacht: drei Jungen und fünf Mädchen.«
» Das hört sich nicht gerade nach reger Beteiligung an.«
» Ist ja auch nur eine kleine Gemeinde«, erinnerte sie Jeffrey. » Außerdem ist Skilaufen teuer. Nicht viele Leute haben überhaupt das Geld dafür, und schon gar nicht in der Weihnachtszeit.«
» Das stimmt«, sagte sie. » Aber war Brad denn der einzige Begleiter?«
» Die Sekretärin der Kirche sollte für die Mädchen zuständig sein, aber sie wurde in letzter Minute krank.«
» Hast du mit ihr gesprochen?«
» Sie hatte so eine Art Schlaganfall. Dabei war sie erst achtundfünfzig Jahre alt«, sagte er und entsann sich, dass er als Junge achtundfünfzig für steinalt gehalten hatte. » Sie ist nach Florida gezogen, damit ihre Kinder sich um sie kümmern können.«
» Und was hat Brad nun über Jenny und Lacey gesagt?«
» Nichts Besonderes. Nur, dass Lacey und Jenny meistens zusammengegluckt haben, während die anderen Kids beim Skilaufen waren und ihren Spaß hatten.«
» Das ist nichts Ungewöhnliches für Mädchen in dem Alter. Sie neigen dazu, kleine Cliquen zu bilden.«
» Ja«, seufzte Jeffrey. Die Frustrationen des gestrigen Tages schlugen ihm immer mehr auf den Magen. » Brad ist bei Jenny zu Hause erschienen, als sie aufhörte, in die Kirche zu kommen. Sie ist fast augenblicklich in Tränen ausgebrochen, als sie ihn sah, und hat sich geweigert, mit ihm zu reden.«
» Und was hat er getan?«
» Hat seinen Hut genommen und ist wieder gegangen. Dann hat er Dave Fine gebeten, mal nach ihr zu sehen, aber bei dem hat sie auch nicht anders reagiert.«
» Hast du schon mit Dave darüber gesprochen?«
» Nur kurz. Er musste zu einer Therapiesitzung.« Plötzlich überkamen ihn Schuldgefühle, weil er an Lena denken musste. Er hätte ihr nicht erlauben dürfen, den Therapietermin zu verwenden, um Fine auszuhorchen. Jeffrey hatte zu schnell nachgegeben, weil es so bequem erschien.
» Jeffrey?«, sagte Sara. Ihrem Tonfall war zu entnehmen, dass sie eine Antwort auf ihre Frage erwartete.
» Ja, Entschuldigung.«
» Was hat Fine denn nun gesagt?«
» Dasselbe wie Brad. Dann hat er mir noch angeboten, morgen wieder bei ihm vorbeizuschauen, um sich weiter zu unterhalten, aber keiner von beiden scheint mir sonderlich hilfreich zu sein.« Jeffrey rieb sich die Augen und suchte verzweifelt nach einem Strohhalm, nach dem er hätte greifen können. » Was ist mit Mark Patterson?«, fragte er. » Kommt er dir irgendwie komisch vor?«
» Komisch wie?«
» Komisch wie…« Jeffrey fand nicht die richtigen Worte. Er wollte Sara nicht zu viel von Marks Vernehmung erzählen, hauptsächlich wegen Lenas Verhalten. Etwas war zwischen ihr und dem Jungen vorgegangen, etwas, das ihm Kopfzerbrechen bereitete. Irgendwie hatte es zwischen den beiden eine emotionale Verbindung gegeben. » Komisch wie… ich weiß auch nicht.«
Sara lachte. » Ich glaube, das kann ich nicht beantworten.«
» Sexuell«, sagte er, denn das war ein gutes Wort, um Mark Patterson zu beschreiben. » Er wirkte stark sexualisiert.«
» Na ja«, reagierte Sara, und er hörte Bestürzung in ihrer Stimme. » Er ist ein gut aussehender Junge. Und ich kann mir ohne weiteres vorstellen, dass er schon lange
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