Vergiss mein nicht
Schließlich ließ er los, und sie fiel rücklings gegen die Badewanne und schlug mit dem Hinterkopf auf den Rand.
Hank öffnete den Klodeckel, packte sie und zerrte sie über die Schüssel. Er stieß ihren Kopf hinein, und endlich konnte sie den Mund öffnen, würgte und spuckte die Pillen aus. Die Würgelaute echoten in ihren Ohren, bis sie den Mund geleert hatte. Mit den Fingern säuberte sie den Gaumen, und mit den Fingernägeln kratzte sie schließlich den Belag von ihrer Zunge, um den Geschmack loszuwerden.
Hank stand auf, und sie sah ihm an, dass er vor Zorn außer sich war.
» Du Dreckskerl«, zischte sie und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
Sein Fuß bewegte sich, und sie fürchtete schon, dass er sie treten wollte. Sie krümmte sich zusammen, aber es kam nichts.
» Mach dich sauber«, kommandierte Hank. Mit der Handfläche wischte er die restlichen Pillen vom Toilettenrand. » Sieh zu, dass der Dreck hier verschwindet.«
Lena gehorchte und sammelte die Darvocets ein.
Hank lehnte an der Wand, die Arme vor der Brust verschränkt. Seine Stimme wurde jetzt leiser, und als sie zu ihm aufsah, bemerkte sie zu ihrem Erstaunen, dass ihm Tränen in den Augen standen. » Wenn du das noch einmal tust…«, begann er und schaute dann weg. Er hielt sich die Hand vor den Mund, als wolle er die Worte mit Gewalt zurückdrängen. » Du bist doch alles, was ich habe, Mädchen.«
Auch Lena weinte jetzt. Sie sagte: » Ich weiß, Hank.«
» Du darfst mich nicht…«, begann er.
Lena fragte: » Ich darf was nicht?«
Er ließ sich an der Wand hinunterrutschen, bis er auf dem Boden saß und sich links und rechts mit den Händen abstützte. Er sah sie offen an und schien in ihren Augen etwas zu suchen. » Verlass mich nicht«, flüsterte er, und diese Worte blieben über ihnen hängen wie eine dunkle Wolke.
Die Entfernung zwischen ihnen betrug kaum mehr als einen Meter, aber Lena kam sie vor wie eine endlos breite Schlucht. Sie konnte die Arme nach ihm ausstrecken. Sie konnte ihm danken. Sie konnte ihm versprechen, dass sie nie wieder einen solchen Versuch machen würde.
Sie hätte eins dieser Dinge tun können oder auch alle, aber schließlich sammelte Lena nur die restlichen Pillen vom Fußboden auf und warf sie in die Toilette.
Dienstag
Zehn
S chön stillhalten jetzt, Sam«, beschwichtigte Sara, die große Mühe hatte, einen zappelnden Zweijährigen auf dem Schoß zu halten, um dessen Brust abzuhorchen.
» Halt schön still für Dr. Linton, Sammy«, sagte seine Mutter in dem typischen Singsang.
» Sara?« Elliott Feltau, der in der Klinik für Sara arbeitete, schaute um die Ecke. Sie hatte sich Elliott direkt nach seiner Zeit als Assistenzarzt als Unterstützung geholt, aber bis jetzt hatte sie bei ihm eigentlich nur Händchen halten müssen. Das kam ihr gar nicht ungelegen, denn ein älterer Arzt hätte auf eine Partnerschaft bestanden, und das wollte Sara nicht. Sie hatte für ihren jetzigen Status zu hart arbeiten müssen, um sich von jemandem hereinreden zu lassen.
» Sorry«, entschuldigte sich Elliott bei der Mutter und sagte dann zu Sara: » Haben Sie zu Tara Collins gesagt, dass Pat an diesem Wochenende schon wieder Football spielen darf? Sie braucht ein ärztliches Attest, damit die Schule ihn wieder in die Mannschaft aufnimmt.«
Sara stand auf und setzte sich Sam auf die Hüfte. Mit gesenkter Stimme fragte sie Elliott: » Warum kommt die Frage von Ihnen?«
» Sie hat angerufen und nach mir gefragt«, antwortete er. » Sagte, sie wollte Sie nicht belästigen.«
Sam hatte sich in ihr Haar verkrallt, und Sara versuchte, seine kleine Faust zu öffnen. » Nein, er darf an diesem Wochenende noch nicht spielen«, flüsterte sie. » Ich hab’s ihr doch Freitag schon gesagt.«
» Es ist nur ein Freundschaftsspiel.«
» Er hat eine Gehirnerschütterung«, konterte Sara. In ihrem Tonfall lag eine Warnung an Elliott.
» Hmm«, sagte Elliott und verließ rückwärts den Raum. » Sie hat wohl gedacht, sie kann mich leichter um den Finger wickeln.«
Sara atmete tief durch, um sich zu beruhigen, und drehte sich wieder um. » Entschuldigen Sie die Störung«, sagte sie und setzte sich. Erfreulicherweise hatte Sam zu zappeln aufgehört, und sie konnte ihn abhören.
» Pat Collins ist doch der Star-Quarterback«, sagte die Mutter. » Und Sie wollen ihn nicht spielen lassen?«
Sara überging die Frage. » Seine Lungen sind anscheinend frei«, sagte sie zu der Frau. » Achten Sie aber trotzdem
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