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Vergiss mein nicht

Vergiss mein nicht

Titel: Vergiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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erst mal Luft holen. » In vielen Fällen näht man die Mädchen und Frauen zu, wie auch in deinem Fall, und lässt nur eine kleine Öffnung für die Monatsblutung.«
    » Darüber habe ich etwas gelesen«, bestätigte Sara. Außerdem wusste sie auch, dass unverstümmelte Frauen in der Dorfgemeinschaft nicht als heiratsfähig erachtet wurden.
    » Der Zwirn, den du aus der Wunde gezogen hast, besitzt keine auffälligen Merkmale. Ich habe eine Probe ins Labor gegeben, und die sind ziemlich sicher, dass du ihn in jedem Kmart finden kannst.« Er überlegte. » Denkst du, derjenige, der das getan hat, verfügt über medizinische Kenntnisse?«
    » Hast du die Fotos vor dir?«
    » Hab ich«, antwortete er. » Sieht irgendwie nach einem Anfänger aus, aber andererseits auch nicht stümperhaft.«
    » Finde ich auch«, sagte sie und dachte, dass die Person, die das Mädchen zugenäht hatte, auf jeden Fall gut mit Nadel und Faden umzugehen wusste.
    » Ich habe eine einschlägige Statistik gelesen«, sagte er. » Viele Mädchen sterben durch den Schock. Sie werden natürlich nicht richtig betäubt, und meistens benutzt man bei der Prozedur zum Schneiden auch nur eine Glasscherbe.«
    Sara schauderte, versuchte aber, die Fassung nicht zu verlieren. » Hast du irgendeine Idee, warum jemand hier bei uns so etwas machen würde?«
    » Du meinst jemand, der nicht zur eingewanderten Bevölkerung gehört?«, fragte er, wartete aber ihre Antwort nicht ab. » Da drüben machen sie das, damit ein Mädchen rein bleibt. Gewöhnlich öffnet der Ehemann sie in der Hochzeitsnacht.«
    » Reinheit«, sagte Sara. Dieses Wort hatte Jenny Weaver gegenüber ihrer Mutter benutzt.
    Nick fragte: » War sie noch Jungfrau?«
    » Nein«, antwortete Sara. » Gemessen an der Größe der Vaginalöffnung muss sie vor der Kastration schon länger sexuell aktiv gewesen sein. Wahrscheinlich mit mehreren verschiedenen Partnern.«
    » Hast du sie auf Geschlechtskrankheiten untersucht?«
    » Ja«, sagte Sara. » Negativ.«
    » War aber doch einen Versuch wert, oder?«
    » Sonst noch etwas?«
    Nick blieb ein paar Sekunden stumm und fragte dann: » Sprichst du Jeffrey noch in dieser Woche?«
    Leicht verlegen sagte sie: » Ja.«
    » Sag ihm bitte, dass unsere Computer zu der Zeichnung, die er uns geschickt hat, keine Daten ausspucken. Wir haben sie jetzt ans FBI gefaxt, damit die Jungs das mal checken, aber du weißt ja, die brauchen reichlich Zeit.«
    » Was ist denn das für eine Zeichnung?«
    » Irgend so eine Tätowierung. Er sagte, sie befände sich auf dem Hautlappen zwischen Daumen und Zeigefinger.«
    » Ich werd’s ihm ausrichten.«
    » Bei einem gemeinsamen Abendessen?«
    Sara lachte. » Worauf willst du hinaus, Nick?«
    » Wenn du nichts vorhast– ich jedenfalls werde am kommenden Wochenende bei euch in der Gegend sein.«
    Sara schmunzelte. Nick hatte sie schon mehrere Male eingeladen, mit ihm auszugehen, meistens jedoch aus Höflichkeit. Er war knappe fünfzehn Zentimeter kleiner als Sara und mit mehr Goldschmuck behängt, als es Männern erlaubt sein sollte. Sie bezweifelte ganz ernsthaft, dass er sich auch nur die geringste Chance bei ihr ausrechnete, aber er zählte eben zu jener Sorte Männer, die keine Möglichkeit ungenutzt lassen.
    Sie eröffnete ihm: » Tja, ich treffe mich wohl wieder mit Jeffrey.«
    » Wohl?«
    » Ich meine…« Sie hielt inne. » Ja, wir sehen einander wieder häufiger.«
    Wie gewöhnlich reagierte er gut gelaunt auf ihre Abfuhr. » So ein alter Knabe wie ich wird ja wohl noch einen Versuch wagen dürfen.«
    Nachdem sie sich verabschiedet hatten, blieb Sara sitzen und dachte über Nicks Informationen nach. Es musste irgendeine Verbindung zwischen Jennys Bedürfnis nach Reinheit und der Kastration bestehen. Ihr entging da etwas, wahrscheinlich etwas sehr nahe Liegendes. Was würde einem Mädchen das Gefühl vermitteln, unrein zu sein? Leider fiel Sara nichts anderes ein als Sex. Jenny Weaver war in dieser Hinsicht zweifellos aktiv gewesen. Vielleicht hatte Jenny irgendwann das schlechte Gewissen wegen ihrer Promiskuität nicht mehr ertragen können.
    Dann war da noch die wichtigere Frage, wer Jenny diese Verstümmelung zugefügt hatte. Sie konnte das unmöglich selbst getan haben, weil sie höchstwahrscheinlich durch den Schock oder die Schmerzen ohnmächtig geworden wäre, bevor sie es hätte zu Ende bringen können. Es musste eine weitere Person daran beteiligt gewesen sein, jemand, der sie beschnitten und zugenäht hatte.

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