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Vergiss mein nicht (German Edition)

Vergiss mein nicht (German Edition)

Titel: Vergiss mein nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sieveking
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schwarzen Reitern verfolgt wurde. Sie schien das ernst zu nehmen und verschwand, kehrte aber sogleich mit einem Fieberthermometer zurück. Ich sah meinen Plan schon ins Wasser fallen und steckte das Ding resigniert in den Mund.
    Gretel ließ mich dann während der Messung wieder allein, und zufällig stieß ich beim Lesen auf eine Stelle, wo von den ›Zeichen des Lichts‹ die Rede war, die der junge Held als ›Auserwählter‹ finden musste, um die ›Mächte der Finsternis‹ zu besiegen. Konnte das Licht nicht auch meine Rettung sein? Mein Blick fiel auf meine Leselampe, und kurzentschlossen hielt ich das Thermometer an die Glühbirne. In kürzester Zeit schnellte das Messgerät in die Höhe. Es zeigte zur Bestürzung meiner Mutter über 40 Grad an.
    Meine Rechnung ging jedenfalls auf und ich durfte zu Hause bleiben, kam sogar in den Genuss von Grießbrei mit etwas Zucker und Zimt, dazu geriebenem Apfel. Außerdem brachte mir meine Mami warmen Tee ans Bett – ich war im siebten Himmel.
    Als mir Gretel ein paar Stunden später wieder das Fieberthermometer in die Hand drückte, hielt ich es schon fast automatisch an meine ›Wunderlampe‹, sobald sie aus der Tür war. In meinem Buch ging es mittlerweile richtig zur Sache. Der schwächliche Junge hatte an seinem elften Geburtstag erfahren, dass er einer der ›Uralten‹ war, ein Wächter des Lichts mit magischen Fähigkeiten, und dass er helfen sollte zu verhindern, dass die ›Dunkelheit‹ die Herrschaft über die Welt errang. Als Letzter einer langen Reihe von Auserwählten musste er den entscheidenden Kampf gegen das Böse ausfechten und die Zeichen des Lichts vor dessen Zugriff behüten. Ohne zu zögern stellt er sich dieser Aufgabe und – PANG  – was war das? Überall im Bett und auf dem Boden kullerten silberne kleine Kügelchen um mich herum. In meiner Hand hielt ich das zerborstene Thermometer. Die ›Mächte des Lichts‹ hatten es zum Platzen gebracht. Ich war von der Konsistenz dieser kleinen ›Zauberkügelchen‹ ganz fasziniert, aber als meine Mutter kurz darauf ins Zimmer kam, war das Entsetzen groß. Sie erklärte mir aufgeregt, dass es sich um hochgiftiges Quecksilber handelte, das man nicht anfassen durfte. Natürlich wollte sie von mir wissen, was in aller Welt passiert war, und ich stotterte etwas zusammen. Das Thermometer hatte scheinbar verrückt gespielt, war wieder so seltsam hoch ausgeschlagen und ich wollte zur Sicherheit noch eine zweite Messung machen. Um den Pegel des Thermometers wieder zu senken, hatte ich versucht, es ›runterzuschütteln‹. Dabei war es an die Bettkante geschlagen und zersprungen. Gretel fragte nicht weiter nach, sondern half mir beimEinsammeln der Quecksilber-Kügelchen, die wir auf einem Stück Papier zusammenkehren konnten. Sie rollten darauf wie winzige glänzende Murmeln umher.
    Gerne hätte ich meine Mutter heute gefragt, was sie damals eigentlich mit dem Quecksilber gemacht hat. Noch mehr würde mich interessieren, was sie von meiner abstrusen Geschichte mit dem ›geschüttelten‹ Thermometer gehalten hatte. Damals war ich heilfroh, das lästige Ding losgeworden zu sein und genoss den Rest des Tages im Leseparadies. Am Nachmittag stand meine Mutter allerdings schon wieder an meinem Bett, in der Hand hielt sie ein neues Fieberthermometer. Sie beschwor mich, ab jetzt vorsichtiger zu sein, da man ihr in der Apotheke noch einmal erklärt hatte, wie furchtbar giftig dieses Quecksilber sei. Es verdampfe schon bei Zimmertemperatur und könne Hirnzellen zerstören. Wieder benutzte ich in einem unbeobachteten Moment meine ›Wunderlampe‹, passte diesmal aber besser auf, und durch die erhöhte Temperatur überzeugt, erlaubte mir meine Mami, weiter im Bett zu bleiben.
    Während der nächsten Messung am Abend spitzte sich die Handlung in meinem Buch zum Showdown zu. In der letzten entscheidenden Nacht brach ein fürchterlicher Schneesturm über das Heimatdorf des heldenhaften Jungen herein. Die Mächte der Finsternis holten zu ihrem finalen Schlag aus, und – PLANG! Oh nein! Die Mächte des Lichts hatten es wieder zu gut gemeint mit dem Thermometer. Zum zweiten Mal schwirrten die Zauberkügelchen in meinem Zimmer umher. Und wieder erzählte ich meiner verstörten Mutter, dass ich das Thermometer geschüttelt und aus Versehen an die Bettkante geschlagen hatte. Und wieder half sie mir beim Einsammeln und Einatmen der giftigen Substanz.
    Rückblickend wundert mich, dass Gretel nicht mich mal kräftig

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