Vergiss mein nicht!
sich.
28.
ANO(R)Malie, die – Abweichung von einer (vorher abgesprochenen) Vereinbarung
M it einem Heizkissen und einem Comic bewaffnet, stehe ich auf der Veranda vor Trevors Haus. Ich hoffe, er hat noch Lust, mich zu sehen, nachdem ich ihn nicht vor Stephanies Party gewarnt habe. Brody öffnet die Tür. »Hi, Addison.«
»Hi, ist dein Bruder zu Hause?«
»Ja, er ist in seinem Zimmer, aber er hat die Tür zugemacht, und wenn er die Tür zumacht, bedeutet das, dass er mit niemandem sprechen will.«
»Ich hab ihm ein Buch mitgebracht. Glaubst du, ich kann es ihm kurz geben und dann wieder verschwinden?«
Er zuckt mit einer Schulter. »Okay.«
»Trevor?« Ich klopfe vorsichtig an seine Tür. »Darf ich reinkommen?« Keine Antwort. Ich klopfe noch einmal und will öffnen, aber die Tür ist abgeschlossen. »Trevor, bitte.« Ich lege meine Stirn an die Tür. Ich hätte mir nie vorgestellt, dass ich mich mal in Bobbys Haut wünschen könnte, aber sein Talent, Materie zu manipulieren und durch feste Objekte zu gehen, wäre jetzt wirklich von Nutzen.
Brody kommt mit einem Schlüssel in der Hand zu mir. »Verrate ihm nicht, dass du ihn von mir hast.«
Ich umarme ihn. »Du bist ein Engel.«
Er wird rot und rennt weg.
In Trevors Zimmer ist es dunkel, nur das Licht der Schreibtischlampe brennt. Er zeichnet. »Trevor?«
»Du solltest lieber schnell wieder gehen. Ich bin damit beschäftigt, mich selbst zu bemitleiden.« Er lächelt mir kurz über die Schulter zu. Das Kabel des Heizkissens rutscht mir vom Arm und baumelt zwischen meinen Beinen herunter. Ich sehe mich im Zimmer um und erinnere mich wieder daran, was mich so erschüttert hat, was aber so typisch für ihn ist: der unaufgeräumte Kleiderschrank, das chaotische Bücherregal und der überfüllte Papierkorb. Ich gehe ein paar Schritte auf ihn zu und suche an der Schreibtischwand nach einer Steckdose. Als ich eine finde, stecke ich den Stecker des Heizkissens hinein und schalte es ein. Es braucht ein paar Minuten, um aufzuheizen.
»Was machst du da?«, fragt er, als ich das Kissen über seine rechte Schulter lege.
Mein Dad hat mir den Tipp gegeben, dass Normale so ein Kissen gegen Muskelkater benutzen. »Ich hab mir gedacht, dass dir deine Schulter wahrscheinlich von dieser Aktion heute Abend noch wehtut. Und das hier habe ich dir auch mitgebracht.« Ich lege das Buch in die Ecke seines Schreibtisches.
Er starrt wortlos auf das Cover, legt dann seine linke Hand auf das Heizkissen, schließt die Augen und zuckt vor Schmerz zusammen.
»Zu heiß?«
»Nein, fühlt sich gut an.«
Ich nutze die Gelegenheit und betrachte sein Gesicht. Die Spitzen seiner Wimpern berühren fast seine Wangenknochen. Seine dunklen lockigen Haare fallen ihm in die Stirn. Er hat eine ausgeprägte Nase mit einem kleinen Höcker. Ich frage mich, ob das von einer früheren Football-Verletzung herrührt. Und seine Lippen sind schmal, aber weich, nicht rissig oder spröde. Wahrscheinlich trinkt er viel Wasser oder vielleicht benutzt er Lippenbalsam.
Als mein Blick wieder zu seinen Augen gleitet, sehe ich, dass er mich beobachtet. Ich werde rot. »Okay«, sage ich. »Ich lasse dich dann mal in Ruhe. Ich wollte mich bloß entschuldigen, dass ich dich wegen Stephanies Party nicht vorgewarnt habe. Keine wirklich tolle Beste-Freundin-Leistung.« Ich drehe mich um und gehe zur Tür.
»Addison, kann ich dir etwas zeigen?«
Ich wirble herum. Er sitzt jetzt seitlich an seinem Schreibtisch und hält ein Blatt hoch. Ich gehe wieder zurück. Offenbar ist es eine Seite aus seinem Comic. Ich nehme sie und überfliege die Sprechblasen. Offenbar ein Auszug mitten aus der Geschichte, aber die Zeichnungen sind atemberaubend und die Dialoge machen neugierig. Ich bin verblüfft, dass er mir das zeigt, da Brody doch behauptet hatte, dass absolut niemand etwas zu sehen bekäme. Warum darf dann ausgerechnet ich den Comic sehen? Habe ich das wirklich verdient?
Erst, als meine Lungen anfangen zu brennen, merke ich, dass ich vergessen habe zu atmen. Ich hole Luft. Irgendetwas zupft am Saum meines T-Shirts, und als ich runterschaue, sehe ich, wie Trevors Finger mit dem Stoff spielen. Unsere Blicke treffen sich, der Ausdruck in seinen Augen ist eindringlich. Meine Knie fühlen sich plötzlich ganz wackelig an, am liebsten möchte ich mich auf den Boden sinken lassen.
Er nimmt das Heizkissen von der Schulter und legt es auf den Schreibtisch. »Wollen wir wirklich nur Freunde sein?« Klang seine Stimme schon
Weitere Kostenlose Bücher