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Vergiss nicht zu atmen

Vergiss nicht zu atmen

Titel: Vergiss nicht zu atmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Sheehan-Miles
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dabei versuchte ich verzweifelt, niemand aufzuwecken. 
    Draußen war es ruhig und dunkel, aber nicht so kalt, wie ich es inzwischen beim Laufen gewohnt war. Wie ich so auf die dunkle Straße starrte, spürte ich für eine Sekunde etwas Angst. Ich war es gewohnt mit Dylan in der Dunkelheit zu laufen. Ich hatte bis jetzt nicht realisiert, wie viel Sicherheit mir das gab. Die Sicherheit, vor dem Sonnenaufgang durch den Stadtpark zu rennen. Sicherheit, sich frei zu fühlen, keine Angst vor einem zufälligen Straßenräuber oder Vergewaltiger oder anderen Gefahren in der Dunkelheit haben zu müssen. 
    Ich wärmte mich auf dem Bürgersteig vor unserem Haus auf und grübelte darüber nach, dass ich diese Art der Angst niemals vorher gespürt hatte. Und die Ironie war, es war kein Fremder, der mich angegriffen hatte. Es war jemand, den ich seit der Mittelstufe kannte. Das ist natürlich auch das, was die Statistiken sagen. Die Vergewaltiger sind fast immer Personen, die die Frau kennt. 
    Aber die Realität war trotzdem ganz anders als die Statistiken. Die Realität war verwirrend und beängstigend. Betrunken zu sein, sich fast krank zu fühlen, und dann drückt jemand deinen Kopf herunter und schiebt seine Hand unter deine Bluse. Der Gestank von Alkohol in seinem Atem, als er sagte: „Ich weiß, dass du es willst, warum wehrst du dich?“
    Ich wollte es nicht. Nicht mit ihm. Damals nicht und auch zukünftig niemals.
    Ich lief los, zunächst die 23. Avenue hoch bis zur Fulton Street, dann am Golden Gate Park entlang. Um diese Uhrzeit gab es kaum Verkehr, schon gar nicht in den Ferien.
    Ich steigerte das Tempo bis ich recht schnell war, und behielt dabei die dunklen Ecken im Auge, in denen sich jemand verstecken könnte. Denn, ob ich es mochte oder nicht, Randy Brewer hatte meine Sicht auf die Dinge geändert. Ich machte eine Menge Fortschritte, lernte Selbstverteidigungstechniken von Dylan, aber ich war noch lange nicht am Ziel. Aber ich würde das Ziel irgendwann erreichen. Mit oder ohne ihn.
    Eines wusste ich sicher. Ich würde kein Opfer mehr sein. Niemals wieder würde mich jemand gegen meinen Willen festhalten, nicht wenn ich es irgendwie verhindern konnte.
    Als ich das Ende der Fulton Street erreichte, rannte ich in Richtung Strand weiter und dann durch den Sand auf das Wasser zu. Die Wellen brachen laut herein und ich drehte mich um und lief am Strand entlang. Ich war zu Hause noch niemals gelaufen. Es hatte etwas befreiendes, etwas, wodurch ich mich größer fühlte als je zuvor.
    Es lag nun in Dylans Hand. Ich liebte ihn. Ich wusste, was ich wollte: Mein Leben mit ihm verbringen. Ich wollte, dass wir zusammen den nächsten Schritt in eine gemeinsame Zukunft machten. Aber ich musste wissen, dass er auch soweit war. Etwas in ihm hatte ihn immer zurück gehalten. Und alles, was ich tun konnte, war hoffen und beten, dass er darüber hinweg kam. 
    Wenn er es allerdings nicht konnte, würde ich bereit sein das zu akzeptieren. Ich würde ihn immer lieben. Aber wenn ich ihm Auf Wiedersehen sagen müsste, war ich jetzt stark genug dazu. 
    An diesem Morgen rannte ich eineinhalb Stunden lang und verlangsamte mein Tempo erst ein paar Dutzend Blocks von meinem Elternhaus entfernt. Erst zwei Blocks entfernt, fiel ich in einen Spazierschritt zurück. Ich war völlig verschwitzt, mein Haar lag nass auf meinem Rücken und ich fühlte mich fantastisch.
    Leise öffnete ich die Tür und ging die Treppen hinauf.
    Als ich den ersten Absatz erreichte, hörte ich die Stimme meiner Mutter. Soviel zum unbemerkten Betreten des Hauses.
    Ich seufzte, trat dann die Küche und sagte: „Guten Morgen.“ Ich ging zu ihr und küsste sie auf die Wange.
    Carrie saß am Küchentisch, eine Tasse Kaffee stand vor ihr. Ich musste lächeln, denn der zerzauste Anblick, in einem Bademantel mit wirrem Haar, war so selten. Ich ging zu ihr, küsste auch sie auf die Wange, goss mir ein großes Glas Wasser ein und begann zu trinken.
    „Guter Gott, du warst doch nicht etwa Laufen, oder?“, fragte Carrie.
    Meine Mutter sah völlig verblüfft aus.
    „Alexandra Charlotte Thompson, die Sonne ist kaum aufgegangen und du warst im Dunkeln laufen? Was ist nur in dich gefahren? Weißt du nicht, dass es gefährlich ist, allein im Dunkeln durch die Stadt zu laufen? Merkwürdige Typen und Vergewaltiger und Gott weiß wer noch, sind da draußen.“
    Ich trank mein Wasser zu Ende und antwortete dann schnell: „Es sind nicht die Fremden, über die man sich Sorgen

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