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Vergiss nicht zu atmen

Vergiss nicht zu atmen

Titel: Vergiss nicht zu atmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Sheehan-Miles
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wurde, sollte ich Ihnen sagen, dass sie ihr Studium in Harvard als Jahrgangsbeste abgeschlossen hat. Bis sie zweiundzwanzig war, folgte auch sie dem gleichen Plan, wie der Rest von uns: Dem Plan, den mein Vater erstellt hatte und auf dessen Einhaltung meine Mutter achtete, dem Plan, von dem kaum eine von uns abwich. Carrie folgte ihm, in dem sie ihren Doktor machte. Ich folgte ihm, indem ich als Hauptfach an der Columbia Uni Jura gewählt hatte. Zweifellos würden die Zwillinge folgen, und nur die Zeit würde zeigen, ob Sarahs Rebellion dauerhaft war. Falls ja, würde der Thompsonhaushalt in den nächsten Jahren kein glücklicher Ort sein.
    Am Tag nachdem Julia ihren Abschluss in Harvard gemacht hatte, hatte sie verkündet, dass sie nicht weiterstudieren würde, sondern beschlossen hatte als Managerin für die Band ihres Freundes, Morbid Obesity, zu arbeiten. Und erwartungsgemäß war sie ziemlich gut in ihrem Beruf. Mit Cranks Gitarrenspiel, den Songtexten und dem Geschäftsinn meiner Schwester war die Band ein ziemliches Phänomen in der Alternativen Rock Szene. Es ging ihnen finanziell nicht schlecht, aber ich wusste, dass meine Eltern den Weg, den Julia in ihrem Leben eingeschlagen hatte, absolut hassten. Und ich bewunderte sie sehr für ihren unabhängigen Geist.
    Julia kam herein und trug, was für sie Gesellschaftskleidung war: Schwarze Jeans, hochhackige Schuhe und einen Pullover. Crank war… na ja, Crank. Seine Jeans waren verwaschen und teilweise zerrissen, sein T-Shirt sah aus, als ob es schon alt war, als ich geboren wurde, er hatte eine Igelfrisur und sein Haar hatte verschiedene Farben. Crank war das perfekte Beispiel dafür, dass Bewunderung und Verlangen zwei sehr unterschiedliche Gefühle waren. Wie meine Schwester es schaffte, Sex mit ihrem Ehemann zu haben ohne sich selbst dabei zu verletzen, war mir ein absolutes Rätsel.
    Gleichwohl liebte ich sie beide und freute mich sie zu sehen.
    Als sie die Treppe hinauf kamen umringten meine Schwestern und ich sie, und wir umarmten uns gegenseitig.
    Julia, die zehn Jahre älter war als ich, lächelte als sie mich sah und umarmte mich lange. „Oh Alex, es ist so schön dich zu sehen.“
    „Dich auch, Julia. Ich hab dich so vermisst.“
    Crank kam zu mir rüber und umarmte mich, ich war vorsichtig, mich dabei nicht aufzuspießen. Er drehte sich zu Sarah um und sagte: „The Forsaken? Geil. Wie ist es dir ergangen, Punk?“
    Ich war fasziniert zu sehen, dass Sarah rot wurde. „Oh, mir geht’s super, Crank, und dir?“
    Er zuckte mit den Schultern. „Ach du weißt schon, ich spiel auf meiner Gitarre und hänge so rum. Deine Schwester hält mich auf der Spur.“
    Sarah begann bei ihrer Antwort zu stottern als Julia amüsiert zu ihr rüber schaute. Sie war vierzehn als die Zwillinge geboren wurden, deshalb hatte sie nicht viel von ihrer Kindheit mitbekommen. Es war geradezu offensichtlich, dass Sarah ziemlich in ihren Ehemann verknallt war.
    In diesem Moment kam mein Vater aus seinem Büro.
    „Julia, wie schön dich zu sehen“, sagte er und umarmte sie. Dann drehte er sich, wie immer ein bisschen verwirrt um und streckte seine Hand aus.
    „Crank“, sagte er mit reservierter Stimme.
    „Hey, Dad“, sagte Crank grinsend und umarmte meinen Vater stürmisch. Carrie und ich schauten uns mit weiten Augen an und Julia kicherte ein wenig.
    Als sie sich trennten, landeten die Augen meines Vaters auf Sarah. Ich wartete auf die Explosion.
    „Sarah“, sagte er, „Bitte geh nach oben und zieh dich vor dem Abendessen um.“
    Sofort war Trotz in ihren Augen zu sehen. „Aber Crank trägt auch keine formelle Kleidung! Ich will kein Kleid anziehen“, sagte sie.
    „Wenn Crank ein Kleid tragen würde, würde ich ihn vermutlich auch darum bitten, sich umzuziehen. Aber was Crank macht, tut nichts zur Sache junge Lady. Crank hat einen Beruf, er kann für sich selbst sorgen und kann sich deshalb so unpassend anziehen, wie er möchte. Im Gegensatz dazu bist immer noch eine Schülerin, die auf die High School geht. Ich bezahle mindestens noch ein paar Jahre für dein Essen und deine Unterkunft. Deshalb wirst du, wenn ich dir sage, dass du dich umziehen sollst, das gefälligst tun. Ende der Diskussion.“
    Sie starrte meinen Vater an, murmelte: „Gott“, rannte nach oben, und erschütterte mit ihren Kampfstiefeln das ganze Haus. 
    „Also dann“, sagte mein Vater im selben eigentümlich formalen Ton, wie er immer sprach. „Lasst uns ins Esszimmer gehen und vielleicht

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