vergissdeinnicht
und schob sie mir rüber:
»Es tut mir leid. Können wir bitte reden? Wir MÜSSEN darüber reden. Es tut mir so wahnsinnig leid mit Samstag, aber es ist kompliziert. Du musst ein paar Sachen wissen. (Klar, zum Beispiel, wann du angefangen hast, mit meinem Freund zu vögeln.) Das hätte nie passieren dürfen, lass es mich erklären. Ich will, dass du weißt, dass du meine beste Freundin bist, und das Letzte, was ich will, ist dich verletzen.«
Ich schrieb zurück: »Hast du deine Canterbury-Erzählungen ?«
Jetzt seufzte sie frustriert. Schnappte mir das Blatt weg: »Bitte. Hör mir einfach zu. Wenn du dann nichts mehr mit mir zu tun haben willst, ist das in Ordnung. Ich muss es dir erklären – mit Nat, mit Ostern, einfach alles. Mittagessen?«
Ich: Geht heut nicht. Sorry.
Sal: Dann heut Abend?
Ich: Schon was vor. Sorry. Morgen Abend hätte ich aber Zeit. (Ja, morgen ist perfekt.)
Sal: Ich finde wirklich, dass wir heute reden sollten.
Jetzt fing sie an, mich zu langweilen: Morgen oder gar nicht.
Ich sah sie an, starrte sie ins Nachgeben. Sie nickte demütig.
* * *
Ich schoss gleich nach dem Pausenklingeln aus dem Klassenzimmer. Ich wollte nicht, dass sie mir nachging. Ich wollte in den Wald, aber ich schaffte es gerade mal halb den Flur runter. Ich konnte es nicht zulassen, dass mich jemand sah – die Bibliothek war meine einzige Möglichkeit. Ich duckte mich zwischen die Regale mit den Nachschlagewerken. Gerade rechtzeitig, bevor sich die Tränenkanäle öffneten: voller Ansturm. Still schluchzen.
Das mit Ostern erklären? Was war mit Ostern?
Denk nach.
Nein nein nein nein nein nein nein. Es kann nicht wahr sein. Es ist unmöglich. Nein. Doch.
Denk nicht dran.
Hör auf. Hör jetzt auf. Das ist nicht Teil deines Plans. Es ändert überhaupt nichts. Denk an was anderes. irgendwas. Sieh dir die Bücher an.
Ich zog ein Lexikon Britischer Vögel aus dem Regal und setzte mich auf den Boden. Schau, wie viele verschiedene Arten Möwen es gibt … zähle sie, lerne sie auswendig. Lies die lateinischen Namen … wieder und wieder und wieder.
Nehmen, fühlen, wollen, vögeln.
Schritte. »Grace? Grace, bist du das?«
Ich wünschte, das Buch würde mich verschlingen. Aber das tat es nicht.
Sophie kniete sich vor mich hin. »Grace! Was ist los?«
»Nichts. Alles gut.« Erstickte Schluchzer verrieten mich.
Sie setzte sich neben mich und legte ihren Arm um meine Schultern. Sie flüsterte: »Schsch, alles wird gut«, immer und immer wieder. Ich lehnte mich bei ihr an.
Mehr Schritte näherten sich. Ich wagte nicht aufzusehen.
Sophie zischte wen auch immer an. »Geh weiter, verpiss dich!« Die Schritte flohen. Ich lachte, weinte immer noch.
»Das ist besser. Mehr lachen, weniger weinen. Willst du mir erzählen, was los ist?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Du weißt, dass du mir vertrauen kannst, oder?« Du kannst niemandem vertrauen, nie.
Aber ich nickte trotzdem.
»Willst du, dass ich Sal suche?«
Ich schüttelte wieder den Kopf, heftiger.
»Gibt es irgendwas, das ich für dich tun kann?«
»Nein«, flüsterte ich. »Danke.« Richtig. Reiß dich jetzt zusammen. Ich atmete tief und flattrig ein. »Ich denke, es geht mir jetzt wieder gut.« Lügnerin .
Sophie glaubte mir nicht. »Also, ich bleib einfach noch ein bisschen hier sitzen. Wir müssen uns gar nicht unterhalten.«
Ich war erbärmlich dankbar. Ich war noch nicht bereit, mich der Welt zu stellen – ich musste meine Rüstung diesmal sorgfältiger richten. Sicherstellen, dass es keine Schwachstellen gab. Ich lehnte meinen Kopf an ihren, und wir saßen schweigend da.
* * *
Fast hätte ich es ihr erzählt. Ganz fast. Aber ich musste mich an den Plan halten.
Die Klingel ertönte, und ich zog mich auf die Füße. Plötzlicher Schwindel, so dass ich mich am Regal festhalten musste.
Sophie stand auch auf. Ihre Knie krachten, und wir mussten beide lächeln. Sie schob ihre Brille den Nasenrücken rauf. »Ich … ich hoffe, es geht dir jetzt besser. Wenn du mal …«
Ich nickte. »Danke, dass du so toll zu mir bist. Es geht mir massig viel besser.«
Plötzlich durchzuckte es mich, dass dies das letzte Mal überhaupt war, dass ich sie sah. Atmen fiel schwer. Ich umarmte sie stürmisch. »Du bist eine echte Freundin, weißt du das?« Sie sah verwirrt aus, aber ich machte weiter. »Was du heute getan hast – es … hat wirklich geholfen. Vergiss das nie. Es tut mir leid, dass ich so ein Miststück bin. Ich wünschte, es wäre alles anders
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