Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergossene Milch

Vergossene Milch

Titel: Vergossene Milch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chico Buarque
Vom Netzwerk:
Zeiten des Hafens von Manaus, hat er sie zum Stärken und Bügeln immer nach Europa geschickt. Mein Vater ist in solchen Dingen sehr anspruchsvoll, nicht von ungefähr werden seine Anzüge, Fräcke und Cutaways zu einem russischen Fürsten gebracht, der sich in Petrópolis mit einer Reinigung einen Namen gemacht hat. Und der italienische Barbier kommt jeden Morgen ins Haus, um ihn zu rasieren und seinen Schnurrbart zu stutzen, ich habe bei meinem Vater nie ein Haar gesehen, wo es nicht hingehörte. Nie einen Fleck, eine Falte in der Kleidung, mein Vater kommt morgens so geschniegelt aus dem Schlafzimmer, wie er abends hineingegangen ist, und als ich kleiner war, glaubte ich, dass er im Stehen schläft, wie die Pferde. Ich hatte fürchterliche Angst, ich würde einmal selbst Senator, müsste dann im Stehen schlafen und mich immer stockgerade und ernst wie mein Vater bewegen. Deshalb werde ich nie vergessen, als er sich eines Tages nach dem Mittagessen zu meiner Mutter beugte, um sie zu küssen, bevor er zur Arbeit fuhr, und ich sah, dass hinten im Schlitz seines Jacketts die Spitze der Peitsche herauskam. Das war sensationell, als hätte Papa sich kostümiert, mit einem Lederschwanz, der von seinem Tweedjackett hing. Ich habe kurz gelacht und Papa gefragt, zu welchem Karneval er mit diesem Schwanz gehen wolle. Was soll das, du Grünschnabel, hat er gesagt, aber Mama hatte sich schon verrenkt, um ihn von hinten zu sehen. Da hat Papa die Peitsche oben im Nacken herausgezogen, sich auf die flache Hand geschlagen, kurz nachgedacht und gesagt, bei diesen Anarchisten weiß man nie. An diesem Abend rief eine Assistentin an, um Mama Bescheid zu geben, sie solle nicht auf den Senator warten. Seine Exzellenz werde bis zum Morgen in einer ständigen Versammlung festgehalten oder in einer Dringlichkeitssitzung im Gesundheitsministerium oder in einer geheimen Besprechung mit dem Präsidenten Epitácio, denn die Regierung bereitete sich auf eine Grippeepidemie vor, noch schlimmer als die Spanische Grippe. Kaum hatte Mama aufgelegt, wurde sie hektisch, wirbelte durch das Haus, lief die Treppe an die fünfzigmal hinauf und hinunter. Beim Abendessen klingelte sie mit dem Glöckchen wegen nichts und wieder nichts, bemängelte alles, bekam einen Anfall, als sie sah, wie zwei Fliegen sich auf der valencianischen Spitzentischdecke paarten. Und als sie endlich ihre Fassung wiederzufinden schien, kippte ich meinen Teller mit Reis, schwarzen Bohnen, Kürbis und einer Scheibe Leber auf den Teppich. Ich hasste Leber, und es machte mir nichts aus, dass Mama mich ohne Abendessen in mein Zimmer schickte. Sie wusste ja nicht, dass mein Kindermädchen mir an den Abenden mit Stubenarrest Guavengelee mit Quark ans Bett brachte. Ich will jetzt endlich mein Guavengelee, ich sterbe vor Hunger.

17
    Es nützt nichts , mich mit Medikamenten vollzustopfen, unsinnig, hier im Bett liegen zu bleiben, ohne meine Frau kann ich nicht schlafen. Sie hat nicht gesagt, wohin sie geht, und Matilde war nie eine, die abends allein weggeht. Es ist keine Uhrzeit für Besorgungen, erst recht nicht für einen Arztbesuch, selbst ihre ehemaligen Schulfreundinnen besucht sie nur tagsüber, damit sie mich empfangen kann, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme. Im Übrigen findet sie gar keine Zeit mehr für ihre Freundinnen, seit sie das Kind hat. Und bald wird das Kind hungrig aufwachen, Matilde kommt bestimmt gleich zurück. Zwar stillt sie seit einiger Zeit nicht mehr, aber ich sehe schon, wie sie gleich wieder aneinanderkleben und kuscheln und schmusen. Eben musste ich daran denken, wie Eulalinha einmal die gleiche Latzhose wie ihre Mutter anhatte, da sah sie aus wie eine Mini-Matilde. Matilde lachte und lachte mit der Kleinen auf dem Arm und hörte gar nicht das Hupen draußen. Es war an dem Tag, als Dubosc mit einem Ehepaar im Chalet erschien, das ich auf dem Empfang beim Botschafter kennengelernt hatte, er war der Arzt der französischen Kolonie. Ich forderte sie auf einzutreten, denn sie waren ganz Copacabana von einem Ende zum anderen gelaufen, hatten aber keine Kabinen für ein Bad im Meer gefunden. Matilde kam mit dem Kind auf dem Arm die Treppe herunter und begrüßte die Gäste mit einem Kopfnicken. Da diese sich gern umziehen wollten, zeigte sie ihnen das Badezimmer, dann bat sie mich, den Wagen aufzuschließen, damit Balbina die Körbe für Eulalinha hineinsetzen konnte. Als ich ihr mitteilte, dass wir nun nicht mehr zur Fazenda fahren würden, wurden ihre

Weitere Kostenlose Bücher