Vergossene Milch
Lampe, habe ich meine Frau liegen sehen, die Beine übereinander, ihr orangefarbenes Kleid über einen Stuhl geworfen. Ich habe Matilde in Duboscs Bett gesehen, mit geröteten Wangen, nackt, regungslos, so ganz genau, wie ich es mir vorgestellt hatte, dass ich sie mir vielleicht immer noch vorstellte. Denn ich muss mit einem bestimmten Bild zum Hotel gekommen sein, und da ich atemlos ins Zimmer gestürmt bin, hatte ich keine Zeit, mein Bild an der Realität zu messen. In Wirklichkeit war das Licht der Lampe bläulich, und auf der Stuhllehne hing ein braunes Hemd. Aber es konnte nur Matilde sein, diese Frauengestalt, die in der einen Bettecke kauerte, sich mit dem Bettzeug bedeckte und das Gesicht dummerweise zur Hälfte hinter dem Laken versteckte. Du Schlampe, habe ich gedacht, du Hure, habe ich gedacht, du Schwein, aber ich habe es nicht besonders energisch gedacht, ich konnte meine Frau schwerlich beleidigen, ohne mich selbst noch mehr zu verletzen. Mein einziger Trost war der Gedanke, dass Matilde noch ein Kind war, das sich jetzt das Laken hochzog, um die Augen zu verstecken, so dass ihre kleinen Füße zum Vorschein kamen. Ein Mädchen aus Copacabana, das noch nie ein Schiff aus der Nähe gesehen hatte, und ich Idiot hatte auf den Ozean gewiesen und sie noch angestachelt: Da fährt die
Arlanza
!, die
Cap Polonio
!, die
Lutetia
! Und am frühen Morgen wollte sie an Bord der
Lutetia
gehen, am Arm des Franzosen, der in ihren Augen ein angesehener Herr war, ein Mann von Welt. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie sie staunen würde, dass sie als angebliche Madame Dubosc in einer Kabine für Ehepaare reisen sollte, mit festem Platz am Tisch des Kapitäns. Ihr Geliebter würde sie in den Pariser Salons herumzeigen, so wie man vor ein paar Jahrhunderten Indianer vom Stamm der Tupinambá am französischen Königshof gezeigt hat, sie würde die Metropole mit ihrem Maxixe, ihrem verdrehten Französisch und ihrer Mulattinnenschönheit bezaubern. Dazu die
Bateaux-Mouches
, der Eiffelturm, die Mona Lisa, ein paar Schneeflocken, und nach kurzer Zeit würde sie glauben, sie hätte praktisch alles im Leben gesehen. Dann würde der Winter sich hinziehen, die Tage würden kürzer werden, und Matilde, ein schlichtes Gemüt, würde im Jardin de Luxembourg von dem kleinen Spielplatz in Copacabana träumen. Anstatt den Besuch eines Theaters oder eines Café-Koncerts zu genießen, würde sie sich jeden Abend beim Schlafengehen um ihre Tochter sorgen, die um dieselbe Zeit in Rio mit dem Kindermädchen am Strand wäre oder auf dem Spielplatz Karussell fahren oder bei der Amme an der Brust trinken würde. Und als Reflex würde ihre Milch noch kräftiger sprudeln und wäre noch schmerzhafter aus den von der Kälte aufgerissenen Brustwarzen zu holen. Und während sie ihre Milch ins Waschbecken laufen lässt, könnte Matilde in Tränen aufgelöst sein, aber ich bezweifle, dass der Franzose einen Finger rühren würde, um sie zu trösten. Wenn sich der erste Elan gelegt hätte, würde Dubosc sich bestimmt als geiziger Liebhaber erweisen, der Zärtlichkeiten und Heizung genau bemisst und sie sogar im Bett siezt. Aber für ihn würde es auch nicht leicht, mit einer Frau zusammenzuleben, die nach den Kellnern pfeift, über das Drehkreuz der Metro klettert und darauf besteht, jeden Tag zu duschen. Von der Compagnie für einen neuen Auftrag ausgewählt, in einem Land mit schwieriger Sprache, merkwürdigen Sitten und geheimnisvollen Frauen, würde Dubosc zu dem Schluss kommen, dass es an der Zeit sei, die Brasilianerin nach Hause zu schicken. Und Matilde würde es nichts ausmachen, in der dritten Klasse von ihrem unüberlegten Abenteuer heimzukehren, und sie würde mit sofortiger Vergebung ihres Mannes rechnen. Sie würde gleich nach der Ankunft für Ordnung sorgen, einen Hausputz anordnen, Klatscherei in der Küche untersagen und die Amme wegschicken. Eulalinha würde gegenüber ihrer Brust nicht fremdeln, verfressen, wie sie ist, würde sie trinken, als hätte sich der Geruch der Mutter bloß noch einmal verändert. Und während sie stillt, würde Matilde sich lachend vorstellen, wie ich mich danach sehne, mit der Zunge über ihre feuchten Brustwarzen zu lecken. Aber ich gestehe, dass mir von Milch schlecht wird, seit ich die Spritzer auf dem Waschbeckenrand, die geronnenen gelblichen Reste auf dem weißen Porzellan gesehen, ihren säuerlichen Geruch wahrgenommen habe. Ich bin eine Weile vor diesem Rätsel stehen geblieben, und als ich Matilde
Weitere Kostenlose Bücher