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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
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Diele und bis zur Einfahrt. Während er nach seinem Schlüssel suchte, wippte sie auf den Fersen vor und zurück.
    »Ich kenne dich überhaupt nicht.«
    Er lehnte sich auf das niedrige Dach seines Autos. »Für mich ist es auch komisch. Glaubst du, ich mache so was öfter?«
    »Keine Ahnung.«
    »Ich mach so was nie. Vertrau mir.«
    Sie sah ihm in die Augen. Etwas Strahlendes und Wütendes lag in ihrem Blick.
    »Das werden wir sehen.«
    Er lachte, obwohl sie keinen Witz gemacht hatte, und stieg in sein sauberes Auto und startete den Motor und fuhr los, und sie stand noch immer mit verschränkten Armen und in dicken, grauen, vom feuchten Gras durchnässten Socken da und wurde immer kleiner.
    Er nahm den langen Weg nach Hause, indem er den Wald umfuhr.
    Als er zu Hause ankam, fiel ihm ein, was ihn an dem Haus gestört hatte. An den Wänden hingen mehrere Gemälde: Kunstdrucke, ein paar Aquarelle. In den Bücherregalen stand Messing- und Porzellannippes.
    Aber es gab keine Fotos.

19
    Als Nathan am Donnerstag vom Mittagessen zurückkam, wartete Justin in einer Ecke seines Büros mit einem zerknitterten Berichtsentwurf in der Faust. Wahrscheinlich war es etwas Wichtiges und Überfälliges, etwas, worum Nathan sich sofort und eilig kümmern musste, weil Justin es die letzten drei Monate im Kofferraum seines Mercedes »abgeheftet« hatte.
    Nathan brauchte zwanzig Minuten, um Justin davon zu überzeugen, dass es nicht unumgänglich war, diesen Notfall unten im Pub zu diskutieren.
    Nachdem Justin endlich abgedampft war, hörte Nathan seinen Anrufbeantworter ab. Die ersten beiden Anrufe stammten von wütenden Kunden, die Bestellungen hinterhertelefonierten, die vor zwei Monaten hätten geliefert werden sollen. Der dritte stammte von Holly. Sanft schloss Nathan die Bürotür und hörte sich die Nachricht dreimal an, weil er nach einer tieferen Bedeutung suchte.

    Hi. Ich bin’s. Ich hasse so was. Egal, ich wollte fragen – bist du noch da? –, ob du am Sonntag zum Mittagessen kommen willst. Und dann. Keine Ahnung. Weggehen oder so. Rede ich zu viel? Ich kann mit diesen Dingern nicht umgehen. Egal. Ruf mich an. Okay. Tschüs. Übrigens, ich bin’s. Hab ich das schon gesagt? Tschüs.

    Er legte die Stirn auf den Schreibtisch. Er lächelte. Auch er bekam Schweißausbrüche, wenn er auf Anrufbeantwortern persönliche Nachrichten hinterlassen musste.
    Dann stolzierte er in Justins Büro.
    Er sagte: »Wie es aussieht, bin ich doch nicht so beschäftigt, wie ich dachte. Ich kümmere mich um den Bericht. Lass uns unten im Pub darüber reden.«
    Justin platzte fast vor Glück.

    Am Sonntag nahm Nathan den langen Weg nach Sutton Down.
    Graham hatte den Sonntagsbraten gemacht. Nachdem Nathan den Tisch abgeräumt, die Spülmaschine eingeschaltet und den Bräter eingeweicht hatte, nahm Holly seinen Arm.
    Der Schock des ersten Körperkontakts.
    Sie sagte: »Komm mit.«
    »Wohin gehen wir?«
    »Was trinken?«
    Nathan warf June einen Blick zu, wie um zu sagen Wie könnte ich da widersprechen? , und er und Holly zogen sich die Mäntel an.
    Der Nebel hatte sich noch nicht ganz gehoben. Das Dorf war still.
    Sie gingen am Flussufer entlang. Er versuchte nur Gutes zu denken.
    Sie sagte: »Wir machen es rückwärts.«
    »Wie meinst du das?«
    »Meine Eltern kennen dich genauso gut wie ich.«
    »Das macht mir nichts aus.«
    Sie gingen eine Minute lang.
    Holly sagte: »Danke.«
    »Wofür?«
    »Ich weiß nicht. Dass du versuchst zu verstehen, wie es ist.«
    Sie waren an einer moosbewachsenen Steinbrücke angelangt, die über den Fluss führte. Sie sah aus, als sei sie tausend Jahre alt. Hier war der Nebel dichter. Er sammelte sich an den Baumwurzeln. Nathan konnte die Kälte vom Wasser aufsteigen spüren.
    »Es geht mir nicht um deine Schwester«, sagte er.
    Sie ließ seinen Arm los und drehte sich zu ihm. Zwischen ihren Augen hatte sich eine besorgte Falte gebildet. »Das weiß ich. Aber bisher ging es immer um sie. Für eine sehr lange Zeit.«
    Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Dann packte sie das Revers seines Mantels: »Jetzt sag endlich was.«
    Aber er wollte seine Stimme nicht hören – er wollte jemand anders sein in diesem guten Augenblick.
    Er sagte: »Du weißt schon, was ich sagen will.«
    Sie legte ihm den Arm um die Taille und drückte ihn, als sie über den Fluss zum Pub gingen.

    Um zehn Uhr kamen sie wieder bei ihr zu Hause an. Es war dunkel. Graham und June waren um halb zehn zu Bett gegangen.
    Nathan und

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