Vergraben
frierend im Dunkeln neben seiner schlafenden Frau. Als er sich an sie kuscheln wollte, machte sie ein schläfriges Geräusch und rollte sich weg.
Irgendwann musste er eingeschlafen sein, denn er erwachte in der Dunkelheit. Holly beugte sich über ihn. Ihre Haare kitzelten ihn im Gesicht. Ihre Brustwarzen berührten seinen Oberkörper. Sie schüttelte ihn an der Schulter.
»Ist alles in Ordnung?«
»Wieso?«
»Weil du im Schlaf geredet hast.«
Blitzartige Panik.
»Was habe ich gesagt?«
»Ich weiß nicht. Du hast genuschelt.«
»Tut mir leid.«
»Ich mache mir nur Sorgen.«
»Mir geht’s gut.«
»Kommt es von den Drogen?«
»Wahrscheinlich.«
»Dann nimm keine mehr.«
»Bestimmt nicht.«
»Deine Füße sind eiskalt .«
»Ich weiß. Es ist kalt hier.«
»Es ist knallheiß . Es fühlt sich an, als hätte jemand das Thermostat aufgedreht.«
Das hatte er vergessen.
»Egal«, sagte sie. »Schlaf jetzt.«
»Tut mir leid.«
»Sei nicht albern.« Sie drehte sich um. Sie griff hinter sich und umfing seinen schlaffen Schwanz und seine Eier mit einer Hand. Sie drückte sie liebevoll und sanft und schlief wieder ein.
Sie rief ihre Eltern an und sagte ihnen, dass Nathan zu schwach für das Sonntagsessen sei. Also blieben sie zu Hause, und Nathan nahm ein langes, sehr heißes Bad. Mit jedem Ticken der Uhr entfernte er sich weiter davon. Die Zeit – noch ein paar Tage, Wochen, Monate – würde es in ihn hineindrücken wie einen Prolaps.
Am Sonntagabend, als er duschte und sich rasierte und sich die Zähne putzte und seine Arbeitskleidung für den nächsten Tag aufs Bett legte, spürte er etwas wie Zuversicht, beinahe Freude. Es war schlimm gewesen. Es war noch immer schlimm. Aber letzten Endes würde es vorbeigehen.
Manchmal glaubte er das mehrere Minuten lang. Dann fiel ihm ein, was da gebündelt in der Kühltruhe in Bobs Garage lag, und die Kälte kroch wieder in ihn hinein.
Am Montagmorgen ging er zur Arbeit.
Alles war wie immer: Hier war die Empfangstheke, und hier waren Fiona und Maude, die Empfangsdamen. Dort waren die Topfpflanzen zu beiden Seiten des Aufzugs, und dort war dieselbe quer verlaufende Schramme über der Tür, wie bei einem mit dem Schlüssel zerkratzten Auto. Und hier war die erste Etage. Die erste links zur Vertriebsabteilung. Dasselbe Großraumbüro mit denselben Möbeln und denselben tintenverschmierten Computern. Dieselben Stoffpuppen und Teddybären und lustigen Tassen und Familienfotos, dieselben Mitarbeiter, dasselbe gläserne Büro mit demselben Laptop, dieselben Probleme, dieselben Schlamassel und Fehler und verlorenen Bestellungen und angepissten Vertreter, dieselben Mitarbeiterbeschwerden und Affären und jährlichen Beurteilungen, dieselben Marketingsitzungen und Vorstandssitzungen und Finanzsitzungen. Und hier war derselbe Justin, derselbe verlogene, bemitleidenswerte Justin mit seinen zu kurzen Hosen und seinen Sechs-Bier-Mittagessen und seinen winzigen Pfefferminzbonbons. Dies war der ruhige Ort, wo die Furcht ihn fallen gelassen hatte – dies war der Ort, der sich nicht veränderte, und solange er hier war, war er in Sicherheit.
Zwei Wochen später rief Bob an.
29
»Hallo«, meldete sich Bob.
»Einen Moment«, sagte Nathan und hielt die Hand über die Sprechmuschel. Er beugte sich vor und drückte die Bürotür zu.
»Wie geht’s? Wie läuft’s mit der Recherche?«
»Nicht gut.«
»Dein Befinden oder die Recherche?«
»Beides. Wir stecken in Schwierigkeiten.«
»Was für Schwierigkeiten?
»Ich kann jetzt nicht reden. Kannst du herkommen?«
»Ich komme, so schnell ich kann.«
Er legte den Hörer auf und sah in seinen Terminkalender. Er hatte um halb drei eine Sitzung. Er sagte Angela, dass er früh mittagessen wollte – es war halb zwölf –, griff nach seinem Mantel und ging geradewegs zum Ausgang. Draußen wollten die Taxis nicht stehen bleiben. Er stand lange an der Ecke und versuchte welche anzuhalten, die schon besetzt waren. Seine Krawatte flatterte wie eine Fahne über seine Schulter.
Endlich hielt ein Taxi an. Aber alle Ampeln unterwegs sprangen auf Rot. Er brauchte fünfundvierzig Minuten.
Bob kam mit struppigem Bart und leerem Blick zur Tür. Über seiner Jeans und dem T-Shirt trug er einen schäbigen, schmuddeligen, rosafarbenen Chenille-Bademantel, der aussah, als hätte er einmal einer Frau gehört. Er roch schlecht, wie Milch, die an einem Julitag zu lange auf dem Fensterbrett gestanden hatte.
Nathan folgte ihm nach unten. Das
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