Vergraben
kommt noch mehr«, sagte Bob. »Warte.«
Er spulte dasselbe Band vor. Nathan gelang es inzwischen, die Störgeräusche auszublenden, oder vielleicht auch, Ordnung hineinzubringen. Dieses Mal hörte er die Stimme einer Frau ziemlich deutlich, aber wie aus großer Entfernung rufen:
Bob! Ich bin hier!
Nathan stand auf.
»Mach das Scheißding aus.«
Bob drückte die Stop -Taste.
»Es kommt noch mehr.«
»Ich mein das ernst. Mach das Scheißding aus.«
»Willst du nicht hören, was sie sagt?«
»Sie sagt gar nichts. Es ist … ich weiß nicht, was es ist. Aber eins ist es sicher nicht: Es ist nicht Elise. Okay. Verdammt noch mal. Jetzt reiß dich zusammen .«
»Ich glaube, du solltest dich beruhigen«, sagte Bob gelassen.
Nathans Beine zitterten. »Wenn du den Finger noch mal auf den Scheißknopf legst, schlag ich es kaputt, das schwör ich dir. Hörst du, Bob? Fass das Ding nicht noch mal an.«
Bob seufzte. Er ließ sich auf den Bürostuhl fallen.
»Normalerweise gibt es nicht nur eine Stimme. Manchmal sind es drei oder vier. Manchmal ein halbes Dutzend. Manchmal sind es zwanzig. Zwanzig verschiedene Stimmen. Sie sind launisch und sarkastisch. Manchmal sprechen sie unterschiedlich schnell. Manchmal reden sie Blödsinn. Aber auf diesem Band, diesem ganzen Band, gibt es nur eine einzige Stimme.«
»Halt die Klappe«, sagte Nathan.
»Was machen wir jetzt?«
»Ich mein das ernst. Halt dein verdammtes Maul.«
Bob drückte auf Play . Nathan hörte es ganz deutlich. Eine junge Frau, klar und unmissverständlich hinter dem Tosen, wie jemand, der von einer Klippe am Meer herunterruft.
Bob! Ich bin hier!
Nathan wartete, bis er seine Stimme einigermaßen unter Kontrolle hatte, und sagte dann: »Bob, wenn du dich nicht zusammenreißt, wird alles auffliegen. Verstehst du?«
»Mach dir nichts vor.«
»Was mach ich mir vor?«
»Dass das nicht sie ist.«
»Ach, fick dich doch.«
Nathan rannte, noch bevor er an der Apartmenttür angekommen war. Er hastete die Treppe hoch auf die Straße. Er keuchte und schnaufte und hatte Seitenstechen, als endlich ein Taxi stehen blieb und ihn zurück zur Arbeit brachte.
Er ließ die Besprechung über sich ergehen, ohne sich daran zu beteiligen. Als sie vorbei war, lud Justin ihn wie üblich zu einer Nachmittagssitzung im Cricketer’s Arms ein.
Nathan sagte zu.
Sie setzten sich in den Pub. Er war fast leer. Ein hagerer, frühzeitig gealterter Barmann mit babyweichem Haar brachte ihnen die Getränke an den Tisch, da Justin ein wertvoller Stammkunde war, der immer lange blieb. Nathan bestellte sich einen doppelten Whisky zu seinem Lagerbier. Als die Getränke kamen, trank er den Whisky auf ex und bestellte gleich noch einen.
Justin legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Was ist los?«
Nathan nippte an seinem Bier. »Was ist das Schlimmste, das du je getan hast?«
Justin tat, als würde er nachdenken. »Ich war mal Trauzeuge bei einem alten Schulfreund. Ich hab die Braut in der Nacht vor der Hochzeit gevögelt.«
»Das ist ziemlich übel«, meinte Nathan ungläubig.
»Und an dem Morgen hab ich sie auch gevögelt. Sie trug ihre Brautunterwäsche, und ihr Kleid war auf dem Bett ausgebreitet. So ein richtiges Tortenkleid. Ein weißes.«
»Hat man dich erwischt?«
»Nein. Keine Sorge. Ich hatte am selben Tag auch noch die Mutter der Braut, direkt nach den Reden. Ich fand sie nicht besonders toll. Es ging um den Kick, verstehst du?«
Nathan nahm einen großen Schluck Bier. »Also kann man etwas tun, was man bereut, und ungestraft davonkommen.«
»Wenn man es elegant genug macht, wird es nie jemand erfahren.«
Nathan blickte ihn eher traurig als skeptisch an. Er wusste zufällig, dass Justin seit vielen Jahren impotent war. Er wusste es, weil Justins Frau seine Impotenz als Vorwand benutzt hatte, um sich an mehrere Mitarbeiter heranzumachen – einmal auch an Nathan. Zwei oder drei waren ihrer Aufforderung auf den Rückbänken von Firmen-Mondeos oder in den Toiletten einiger Weinbars bereitwillig nachgekommen. Nathan nicht.
Justin kam nie ungestraft davon. Das glaubte er nur. Und dennoch war Justin hier. Noch immer hier, lange nachdem er hätte gehen sollen.
»Und«, fragte Nathan, »was ist dein Geheimnis?«
»Schlaf nie mit jemandem, der weniger zu verlieren hat als du selbst.«
Nathan dachte über diese Weisheit nach, trank dann sein Glas aus und hob die Hand, um noch eins zu bestellen.
»Also, wer ist sie?«, fragte Justin.
»Wer ist wer?«
»Dein schmutziges
Weitere Kostenlose Bücher