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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
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die Uhr. Er ging zur Spüle und goss sich ein Glas Wasser ein. Er versuchte nicht in Panik zu geraten. Er zählte von zwanzig an rückwärts. Dann ging er zu Bobs Mantel, der hinter der Tür hing, und durchsuchte die Taschen. Die Schlüssel waren auch dort nicht.
    Er begann die Wohnung zu durchsuchen. Innerhalb von Minuten hatte sich sein Entschluss, methodisch vorzugehen, in Luft aufgelöst. Er stürmte hin und her, schaute hinter Bücher, in Küchenschubladen, unters Bett. Er suchte unter den Tastaturen der Computer. Er suchte im Bad, im Spülkasten, im Medizinschränkchen. Er sah hinter den Sofas und zwischen den Sofakissen nach. Er suchte noch einmal an allen Orten, an denen er schon gesucht hatte. Er hielt wütend inne. Er sah auf die Uhr.
    Es war 21.05 Uhr.
    Dann entdeckte er eine Ecke von Bobs Aktentasche. Sie wurde halb verdeckt von der hastig aufgerollten, zerrissenen Teppichunterlage, die unter das niedrigste Bücherregal gestopft worden war – das, das an der längsten Wand entlanglief, neben dem verschlissenen, zerwühlten Bett. Nathan rannte darauf zu. Er wartete, beruhigte sich; es würde ihm nichts bringen, wenn er die Aktentasche hastig ausleerte. Er ging langsam vor. Es waren Papiere darin, Kugelschreiber und zwei auseinandergebrochene Hälften eines Schneidelineals. Ein Paar Lederhandschuhe. In einer Ecke vergraben, lag Bobs Schlüsselbund. Der Schlüssel zum Safe, größer und schwerer als die anderen, hing daran.
    Nathan ging zu Bob.
    Bob atmete nicht.
    Nathan sah auf die Uhr. Dann wählte er mit Kurzwahl Jackis Nummer.
    Es klingelte.
    »Nathan?«
    »Jacki, es ist was passiert.«
    Er hörte, wie sie aufstand. Sie war zu Hause. Im Hintergrund lief der Fernseher.
    »Wo bist du? Geht’s dir gut?«
    Er sprach zu schnell. Er musste eine Pause machen, um Luft zu holen. Er brach ab und fing noch einmal an. Er sah auf die Uhr.
    »Ich bin hier angekommen. Ich war spät dran. Ich bin gerade angekommen. Und Bob – ich glaube, er hat eine Dummheit gemacht.«
    Das Geräusch einer sich schließenden Tür. Jacki, die zu Hause in den Flur ging. Ihr Mann hieß Martin. Nathan hatte ihn ein- oder zweimal gesehen.
    »Nathan, beruhige dich. Das ist sehr wichtig. Beruhige dich. Was willst du damit sagen?«
    »Ich glaube, er atmet nicht. Ich glaube, er hat was genommen.«
    »Weißt du, was er genommen hat?«
    »Nein.«
    »Kannst du ihn dazu bringen, dass er sich übergibt?«
    »Ich glaube, er ist tot .«
    »Kannst du ihn wiederbeleben?«
    »Vielleicht. Ich bin der Erste-Hilfe-Beauftragte der Vertriebsetage.«
    »Dann bleib ruhig und erinnere dich an das, was man dir beigebracht hat. Ich schicke so schnell wie möglich einen Krankenwagen.«
    »Okay.«
    Nathan gab ihr die Adresse und legte auf.
    Er ging zum Safe. Er hockte sich hin und steckte den Schlüssel ins Schloss.
    Auf dem Sofa grunzte Bob.
    Nathan bepinkelte sich beinahe.
    Er eilte zum Sofa hinüber. Er blickte zu der kalten, hinteren Ecke, wo die Schatten am dunkelsten waren. Dann nahm er ein schmieriges Kissen und drückte es Bob auf Nase und Mund. Es gab keinen Widerstand. Aber Nathan drückte zu, bis er sicher sein konnte.
    Sein Verstand schweifte ab.
    Er wurde vom entfernten Heulen eines Krankenwagens aus seiner Starre geweckt.
    Er wischte das besabberte Kissen an Bobs Brust ab, schob es unter seinen schweren Kopf und eilte dann zum Safe.
    Er bückte sich. Er drehte den Schlüssel. Die Tür war fast acht Zentimeter dick. Sie bestand aus kaltem, solidem Metall. Sie schwang mit angemessener Schwere auf. Im Safe lag das in Folie gewickelte Päckchen. Durch das Plastik zeigte Elises Schädel ihm die Zähne; der Unterkiefer fehlte. Bob hatte die langen Knochen zerbrochen, damit sie hineinpassten.
    Nathan nahm das Päckchen heraus. Der Safe war ansonsten leer. Er untersuchte das Päckchen hastig von allen Seiten, drehte es in seinen Händen wie einen Basketball.
    Aber er konnte die zerknüllte alte Einkaufstüte nirgends entdecken, die Elises verrottete Kleidung enthielt – und seine verrottete DNA.
    Die Sirenen kamen nun merklich näher. Zwei oder drei. Ein Alarm-Chor.
    Er stopfte das Päckchen zurück in den Safe. Er schloss ihn ab. Er steckte das Schlüsselbund in Bobs Hosentasche. Er sah sich in der Wohnung um. Ihm fiel ein, dass er das Apartment schon einmal durchsucht hatte. Die Kleider würden nicht dort sein, wo er schon nachgesehen hatte.
    Ein Fahrzeug hielt draußen am Bordstein. Das Blaulicht zeichnete Muster an die Decke. Er hörte die Autotüren

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