Vergraben
ab. Er konnte das Latex und das Talkum riechen. »Danke.«
Sie drückte seine Hand.
»Jetzt muss ich nur noch mit Holly reden«, sagte er.
»Sie wird es verstehen.«
»Das hoffe ich.«
Er lächelte sie an wie ein tapferer Soldat.
Auf dem Nachhauseweg hielt er am Straßenrand an. Er fischte den erschlafften Gefrierbeutel mit den zusammengerollten Überresten von Elises Kleidern aus seiner Tasche. Er betrachtete ihn. Sie sahen aus wie völlig unbedeutende Fetzen. Das bisschen Beweismaterial, das sich darauf befunden hatte, war sicher durch all die Jahre in der Erde zerstört worden.
Nun, da er allein und Bob nicht mehr da war, schien das offensichtlich.
Er dachte darüber nach, die Lumpen irgendwo zu verbrennen. Aber es schien riskant, bei so etwas Ungewöhnlichem erwischt zu werden. Also stieg er aus dem Auto aus und zündete sich eine Zigarette an. Er stellte sich über einen Gully. Er riss die Tüte auf und bückte sich, um die Überbleibsel zwischen die Stangen zu stecken. Stücke des verrotteten Stoffs blieben am nassen Metall kleben. Er löste sie mit den Fingerspitzen. Er drückte etwas hinunter, was als Zehenschutzkappe eines Adidas-Turnschuhs zu erkennen war, brüchig und schrumpelig wie ein geplatzter Luftballon.
Er glaubte nicht, dass jemand ihm dabei zusah, aber er glaubte auch nicht, dass das eine Rolle spielte. Es hätte auch so aussehen können, als suche er etwas, vielleicht einen verlorenen Schlüssel. Er stopfte die zusammengerollten Handschuhe dort hinunter und half mit der Spitze seines Kugelschreibers nach. Der zerrissene Gefrierbeutel folgte und die Reste der Sainsbury’s -Tüte ebenfalls.
Das war’s. Alles weg.
Er rauchte die Zigarette zu Ende und warf auch die Kippe in den Gully. Dann setzte er sich ans Steuer seines Wagens und schaltete das Radio ein.
38
Als Nathan zu Hause ankam, saß Holly im dunklen Wohnzimmer.
Er blieb in der Tür stehen.
Sie sagte: »Man hat sie gefunden.«
Er ging zu ihr. Kniete sich hin, strich ihr das Haar aus dem Gesicht.
Er wollte sie ansehen.
Sie wollte ihn nicht ansehen. Sie drehte den Kopf weg.
Er zog die Hand zurück und stand auf.
Er fragte: »Rufst du June und Graham an?«
»Morgen früh. Ich will sie schlafen lassen. Nur noch eine Nacht.«
Er folgte ihr in die Küche.
Es gab zu viel zu erklären.
Er sagte: »Wir wissen nicht, ob sie es ist. Noch nicht.«
»Sie ist es. Du weißt, dass sie es ist.«
Sie runzelte die Stirn und rieb über die Stelle zwischen ihren Augen. Sie sagte: »Du hast gelogen.«
»Ja.«
»Wenn du nicht … wenn du nicht gelogen hättest, wäre es uns vielleicht erspart geblieben …«
Das alles.
Holly fuhr fort: »Jedes Wort. Jedes Wort, das du je gesagt hast. Alles. Alles basiert auf einer Lüge.«
Sie zündete sich eine seiner Zigaretten an. Ihre erste seit Jahren.
»Wie hätte ich es dir sagen können?«
»Wie konntest du es mir nicht sagen?«
»Weil ich nicht wollte, dass es so weit kommt.«
»Nun, jetzt ist es so weit.«
»Ich weiß. Es tut mir leid.«
Er suchte nach passenderen Worten. Aber sie hatten eine Grenze überschritten, ab der Worte keine Wirkung mehr hatten. Also sagte er nur: »Es tut mir leid.«
Sie setzten sich an den Tisch und redeten bis zum Morgen langsam im Kreis herum.
Der Tag begann mit einem Morgenkonzert der Vögel. Die aufgehende Sonne schien durch das Tauwasser und warf Perlentröpfchen auf ihre Haut.
Im fahlen Licht ging Holly in den Flur und starrte die Bilder von Elise an. Dann kam sie zurück in die Küche, um sich noch eine seiner Zigaretten anzuzünden. Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Es war kraus und trocken; es musste dringend gewaschen werden. Ihre Lippen waren aufgesprungen.
Sie sagte: »Ich kann dich nicht in meiner Nähe haben.«
»Okay.«
»Du hättest nicht lügen dürfen. Du hättest einfach nicht lügen dürfen.«
»Ich weiß.«
Sie packte sein Gesicht. Ihre Nägel bohrten sich in sein Fleisch. Hass blitzte in ihren Augen. Und dann füllten sich ihre Augen mit Tränen, und sie ließ ihn los.
Um 6.30 Uhr rief sie ihre Eltern an. An beiden Enden der Leitung herrschte langes Schweigen. Es gab keine Tränen. Es war wie die gemurmelte Feststellung einer Krankheit. Dass Elise gefunden wurde, war beinahe eine Enttäuschung. Sie wieder zurückzuhaben, würde das Familienleben noch einmal verändern. Sie stellte sich jetzt schon zwischen sie und durchbrach die feste Einheit, die sie gebildet hatten.
Holly war traurig, als sie auflegte. Etwas war
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