Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
Vom Netzwerk:
weiß nicht, ob ich das kann.«
    »Du musst.«
    »Soll ich eine Wanze oder so was tragen?«
    Sie lachte darüber, eher mitleidig als spöttisch. »Ich bin nur … ich weiß auch nicht. Ich muss erst mal drüber nachdenken. Ich muss Bob Morrows Vorstrafenregister prüfen und seine Aussage noch mal durchgehen. Wahrscheinlich ist nichts dran an der Sache. Ich bin mir fast sicher, dass da nichts dran ist. Aber wenn doch – ein großes Wenn – dann will ich nicht, dass er durchdreht, weil du nicht gekommen bist. Also triff dich heute Abend mit ihm. Entschuldige dich, geh früh nach Hause. Aber geh hin. Wir reden morgen.«
    »Ich weiß nicht, ob ich es aushalte, im selben Raum mit ihm zu sein.«
    »Du musst. Für Holly. Falls was dran ist.«
    Bevor sie die Kneipe verließ, schüttelte sie ihm die Hand.

    Am Steuer seines Wagens erlitt er eine Angstattacke. Er glaubte, er würde sterben. Er umklammerte das Lenkrad. Er blieb im Halteverbot stehen und hörte Radio, bis der Anfall vorbei war.
    Auf der Arbeit spritzte er sich kaltes Wasser ins Gesicht und ging dann zu der angesetzten Besprechung. Es wurden geheime Gespräche darüber geführt, die Großhändler zu wechseln.
    Jedes Jahr wurden geheime Gespräche darüber geführt, die Großhändler zu wechseln. Der Großteil des betroffenen Personals, einschließlich Nathan, gab vor, das nicht zu merken.
    Nach der Sitzung schüttelte Justin Nathan die Hand und gratulierte ihm. Nathan sagte, sie sollten bald wieder etwas trinken gehen.
    Am späten Nachmittag gab es eine Marketingbesprechungs-Vorbesprechung. Er überstand sie und befasste sich danach mit einigen schwierigen Kundenanrufen. Um 18.15 Uhr prüfte er, ob er alles hatte. Er verabschiedete sich von allen im Büro – er wusste nicht, warum; das war nur an Weihnachten üblich. Dann ging er zu seinem Auto.

36
    Er parkte vor Bobs Haus. Er blieb am Steuer sitzen und fragte sich, ob er es durchziehen könnte. Im Radio wurden Lieder aus den 1980ern gespielt: Rick Astley, Mel & Kim. Damals hatte er das Zeug gehasst, aber jetzt erfüllte es ihn mit akuter und schmerzlicher Nostalgie. Er fragte sich, wie er hier gelandet war, in diesem Auto, heute Abend. Er hörte sich den Anfang der Sieben-Uhr-Nachrichten an. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr.
    Im besten Fall war sein Zeitplan annähernd richtig. Im schlechtesten Fall war er vom Glück abhängig. Justin würde das, was Nathan da machte, »sich durchmogeln« nennen.
    Bob machte auf. Er hatte sich rasiert, aber sein Haar war ein wirres Knäuel mit fettigem Ansatz.
    Mit der Aktentasche unterm Arm ließ Nathan sich hineinführen. Während er Bobs schweren, tollpatschigen Schritten durch den Flur folgte, fragte er: »Hast du in letzter Zeit überhaupt das Haus verlassen?«
    »Ja, um Milch zu kaufen. Wieso?«
    »Du musst an die frische Luft, Junge.«
    Bob schnaubte wie ein Bulle, und sie gingen nach unten.
    Das Apartment sah anders aus. Der ganze Kleinkram war an die Wände geschoben worden. Der Großteil der Möbel ebenfalls. Der Teppich war herausgerissen und lag halb zusammengerollt, halb gefaltet, in der Kochnische. Bob hatte die graue Unterlage entfernt. Reste davon klebten noch am Betonboden. Auf den Beton hatte er einen großen Kreidekreis gezeichnet und um den Kreis herum eine Reihe von Bildzeichen eingeritzt. Sie waren sorgfältig ausgearbeitet und erinnerten an Tierkreiszeichen. In den Kreis hatte er ein Sofa und den Fernseher geschoben.
    »Was zum Teufel ist das denn?«, fragte Nathan.
    »Es beschützt.«
    »Muss ich irgendwas machen, bevor ich hineintreten kann?«
    Bob sah Nathan an, als sei er komplett bescheuert.
    »Nein.«
    »Okay.«
    Nathan machte seine Aktenasche auf und nahm eine Flasche Laphroaig heraus. »Willst du was trinken?«
    »Wir brauchen einen klaren Kopf.«
    Er zeigte Bob die Flasche.
    »Der ist fünfzehn Jahre alt.«
    Bob betrachtete sie.
    Nathan sagte: »Ich kann das nicht ohne einen Drink, Bob. Mach du, was du willst.«
    Er ging zur Arbeitsplatte. Ein paar Stunden zuvor hatte er dreißig Temazepam-Kapseln in dem Whisky aufgelöst. Dann hatte er den Metallverschluss mühevoll von Hand wieder zugelötet, wobei er auf dem Fahrersitz seines Wagens gesessen und die Flasche zwischen den Knien gehalten hatte. Jetzt sah er, dass er keine gute Arbeit geleistet hatte: Kleine Tröpfchen Lötmetall waren an der Naht sichtbar. Aber er wollte, dass Bob das leise Krachen hörte, wenn der Verschluss aufging, also drehte er sich zu ihm um, als er ihn öffnete

Weitere Kostenlose Bücher