Verhängnisvoll - Felsing, K: Verhängnisvoll

selbst rettet? Mad Max hat wahrhaftig eine Steilvorlage geliefert, eine Filmszene, die Ben in die Erinnerung gebrannt ist. Immer sind es die besonders grausamen Charaktere, die sowohl aus der Fiktion als auch aus der Realität in den Köpfen bleiben, oft über Jahrzehnte – weit über die Dauer eines Menschenlebens hinaus.
    Der fiktive
Mad Max
ist von einem liebenden Ehemann und Vater zu einem Serienkiller geworden, weil Rocker seine Frau und seinen kleinen Jungen ermordet haben.
Hannibal Lecter
ist zu einem Kannibalen geworden, weil Kollaborateure seine Schwester verspeist haben, nachdem sämtliche Essensvorräte zur Neige gegangen waren. Fiktion. Aber sind die Filme, die die Menschen drehen, nicht der Realität entnommen? Dazu kommen ihre schmutzigen Fantasien. Muss es nicht ein kranker Geist sein, der sich solche Horrorszenarien ausdenkt? So wie die Klapperschlange. Und wie krank sind erst diejenigen, die in der Realität brutale und kaltblütige Mörder sogar noch bewundern. Eine kleine Minderheit? Weit gefehlt.
Bonnie und Clyde
fallen ihm dazu spontan ein. Dreizehn Tote und unzählige Verletzte haben sie auf ihrer blutigen Spur durch die Südstaaten hinterlassen und die Menschen haben sie dennoch geliebt und sie zu Helden stilisiert. Massenmörder geraten zu Volkshelden, er denkt da nur an Stalin. So weit braucht er seine Gedanken nicht einmal auszurollen. Es reicht, wenn er an Comicfilme denkt. Gewalthandlungen werden Kindern durch lustige kleine Figuren eingetrichtert. Die Guten machen stets harmlose Witze, die Bösen brillieren durch Sarkasmus und Zynismus und werden in klassischer schwarzweiß Manier gezeichnet. Sie prügeln und zerstören ohne das Aufzeigen von Folgen, und das Fazit der Fachleute lautet, fiktive und verharmlosende Gewalt im Zeichentrickfilm hätte keine negativen Einflüsse auf Kinder und Jugendliche. Ben hingegen hat schon mehr als ein blaues Auge gesehen, das daraus resultierte, dass Dreikäsehochs
Tom & Jerry
nachgespielt haben. Gewalt wird immer und überall als zentrales Mittel zum Lösen von Konflikten eingesetzt, sei es bei den Rangeleien der Kleinsten oder bei den Kriegszügen kultivierter Völker. Sämtliche
Mr. Presidents
gehen der Welt mit wahrlich klugem Beispiel voran, das echte Leben ist viel grausamer als Fiktion. Filme zeigen nur einen Teil der Realität, und sie kreieren Helden. Oder warum bleibt
Mad Max
in den Herzen der Menschen das eigentliche Opfer und wird nicht als Serienkiller verachtet? Was ist mit
Hannibal Lecter
? Seine faszinierend gezeichnete Persönlichkeit ruft Bewunderung und Abscheu gleichermaßen hervor, aber wenden sich die Menschen angewidert ab und ignorieren Filme dieser Art? Nein, sie spielen Millionen in die Kassen der Filmemacher, sie gewinnen sogar noch eine Handvoll Oscars und erhalten weitere Auszeichnungen.
Hannibal Lecter
erhielt den Titel des größten Schurken der Filmgeschichte, noch vor
Norman Bates
aus
Psycho
und
Darth Vader
aus
Star Wars
.
    Die Menschen lieben sie.
    Auch der Klapperschlange gefallen solche Figuren und ihre Taten, aber Filme reichen schon lange nicht mehr, um ihren Hunger zu stillen. In jüngster Zeit findet man an jeder Ecke Diskussionen, inwieweit Gewaltvideos und Killerspiele dafür verantwortlich sind, dass Menschen zu Bestien werden. Seiner Ansicht nach wohnt in jedem ein potenzieller Serienkiller. Der zündende Funke, der diese Seite zum Ausbruch gelangen lässt, mag mannigfaltig sein. Liebe schlägt in Hass um. Zärtlichkeit wird nur allzu oft zu Brutalität. Grenzen verwischen. Gewalt beherrscht die Handlungen eines jeden, ob Kind oder Erwachsener. Einen Klaps auf den Hintern sehen viele Erziehungsberechtigte als völlig okay an. Für das Kind bedeutet es aber eine Verletzung der Seele. Eine Drohung besitzt Macht und genau darum geht es. Der Stärkere zu sein, die Herrschaft zu demonstrieren. Fernsehverbot, Stubenarrest. Schon das fördert Aggressionen und setzt sich in weitergehenden Handlungen fort, quer durch alle Altersschichten, durch alle Religionen und sozialen Kreise. Die Ursachen von Gewalt sind so vielschichtig wie der menschliche Geist und die Seelen so zerbrechlich wie feinstes Porzellan.
    Dahinter lauern die Monster. Sie brechen aus, wenn das Porzellan Risse bekommt. Spielt es eine Rolle, ob es Horrorfilme, brutale Actionfilme, Computerspiele oder häusliche Gewalt sind, die das Porzellan zerspringen lassen? Die Monster sind in jedem von uns real, sie existieren, sie verbergen sich vielleicht noch