Verhängnisvoll - Felsing, K: Verhängnisvoll
benutzen.
Eine Weile sorgt er sich um den Schlüssel, verwirft den Gedanken, in den National Forest zurückzukehren, um ihn zu suchen. Bestimmt hat die Polizei dort Leute herumkrauchen, die jeden Stein umdrehen und darauf warten, dass der Täter an den Tatort zurückkehrt. Wenn sie das Schlüsselchen bis jetzt nicht gefunden haben, wird es wohl kaum noch auftauchen. Selbst wenn, seine Fingerabdrücke sind – sofern überhaupt welche zu finden sind – nicht gespeichert. Seine Weste ist sauber.
Und die Spiele, die du spielst, gewinnst du immer, immer
.
Die Klapperschlange rasselt leise zur Bestätigung. Ein wohliges Geräusch.
Es muss Fügung sein. Wie anders soll er sich das Glück erklären, dass er ausgerechnet jetzt drei Wochen Urlaub hatte? Schade nur, dass er fast zwei Drittel der Zeit nicht wie geplant verbringen konnte. Es kann nur Schicksal sein, alles soll so passieren. Daher wird auch sein nächster Plan gelingen. Er hat im Chat noch einen Kontakt schlummern. Pepper nennt
Es
sich. Doch zuerst muss er zur Arbeit.
Er wirft einen Blick in den Spiegel und setzt seine graue Strickmütze auf. Seit Jahren trägt er solche Mützen, Sommer wie Winter. Er zieht sie über die Ohrläppchen, zupft den Wulst am Hinterkopf zurecht. Sieht er nicht aus wie ein berühmter Rapper? Er wird eines Tages Weltruhm erlangen. Alles ist Vorhersehung.
Ein dreckiger Lump bist du. Ein elender Wicht, wie dein Vater! Ein Versager!
„Halt’s Maul!“, brüllt er und schlägt die Hände vors Gesicht, massiert sich die Stirn. „Mommy!“ Nach den Träumen flakkern die Erinnerungen immer wieder aus dem Nichts auf, foltern ihn über Stunden. Immer dann, wenn der Hunger der Klapperschlange zu groß wird. Es gibt im Moment nur einen Weg, die Qual zu betäuben.
Seine Finger zittern, als er die Tür des Spiegelschränkchens öffnet, doch als er das Vorratsglas in der Hand hält, wird er sofort ruhiger. Vorsichtig schüttet er etwas des weißen Pulvers auf den breiten Rand des Waschbeckens, formt es mit einer Rasierklinge zu einer schmalen Linie und greift zu seinem Sniefröhrchen. Nur eine kleine Prise, dann erscheint die Welt geordnet und bunt, die Luft frisch und klar, sein Kopf frei und unbeschwert.
„Hi, Mr. Ogan“, begrüßt ihn die dralle Schwarze an ihrer Wohnungstür. Ihre Brüste wogen unter dem Morgenmantel, quellen hervor. Ben muss den Blick abwenden.
„Wo ist denn Fergus?“ Eigentlich hat er den 15-Jährigen unten an der Haustür erwartet, wie er mit einem Stein Fußball spielt oder das millionste Zeichen in die zerfledderten Überreste der hölzernen Postfächer an der Hauswand ritzt. Seit Monaten hat er mit ihm ein Arrangement getroffen. Wenn Ben morgens auftaucht, muss Fergus bereit sein, zur Schule gebracht zu werden. Dafür darf er auf Bens Motorrad mitfahren. Fergus zählt zu den härtesten Fällen, die er betreut. Notorischer Schulverweigerer, die Noten zu schlecht, als dass er eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen könnte. Fergus wiederholt die vorletzte Klasse und Ben sorgt für eine regelmäßige Teilnahme des Jungen am Unterricht, damit sich die Noten in den letzten zwei Schuljahren noch verbessern. Die Jugendfürsorge betreut die Familie seit drei Jahren, seit einem hat Ben den Fall übernommen. Sein Urlaub hat dem Jungen nicht gutgetan. Hoffentlich müssen sie nicht komplett von vorn beginnen.
„Pennt noch. Krieg ihn nicht aus dem Bett“, murrt Peggy, Fergus’ Mutter. Sie kramt eine zerknitterte Schachtel Zigaretten aus den Tiefen ihres fleckigen Morgenmantels und schiebt sich eine Kippe auf die Lippen. „Ham’se Feuer, Mister?“
„Bedaure“, sagt Ben. „Sie wissen doch, ich rauche nicht.“ Er geht hinter ihr her, weiß, vor welcher Tür er stehen bleiben muss, noch bevor sie dem Türblatt einen Stoß gibt und in den Raum brüllt.
„Fergus! Beweg deinen Arsch!“
„Raus!“, brüllt eine Stimme, die sich nach einer durchgemachten Nacht mit zu viel Alkohol und zu vielen Zigaretten anhört. Der Geruch im Zimmer verrät nichts anderes.
„Ja“, sagt Ben, „und zwar aus dem Bett.“ Er zieht dem Jungen mit einem Ruck die Decke weg. „Aber zackig.“
An der Tür dreht er sich um. „Wenn du nicht freiwillig duschen gehst, sorg ich mit eiskaltem Wasser für Nachhilfe.“ Das hat er schon einmal getan und Fergus wird sich hüten, es erneut darauf ankommen zu lassen. Er hasst kaltes Wasser. Ein unverständliches Fluchen begleitet Ben über den Flur in die Küche. Die Decke raschelt, also
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