Verhängnisvoll - Felsing, K: Verhängnisvoll
erneut in ihre enge Mitte, eroberte ihr Innerstes; bis ihr Stöhnen in ein Keuchen überging, das wie Musik in den Ohren klang; bis ihr kleine, spitze Schreie über die Lippen flogen und er spürte, wie sich ihre Muskeln immer rhythmischer um seinen Schwanz zusammenzogen. Er kam im gleichen Augenblick wie sie. Als ihr Stöhnen zu einem Wimmern wurde und sie sich aufbäumte, die Hände zu ihm nach hinten streckte und ihre Fingernägel in seine Hüften grub, ergoss er sich mit einer Heftigkeit, die ihm die Luft aus den Lungen presste und Schweiß aus jeder Pore trieb. Wieder und wieder versenkte er sich in ihr, bis Reese ermattet nach vorn sackte.
Er löste sich nicht, sondern glitt mit ihr in die Kissen, hielt sie eng umschlungen, bewegte sich langsamer und langsamer, solange das Nachglühen des Höhepunkts sie gemeinsam in Euphorie wiegte.
Ben steht noch immer vor der Schaufensterscheibe. Er haucht gegen das Glas und malt ein Herz in den weißen Dunst, der sich schon wieder zu verflüchtigen beginnt.
Eine Weile schaut er zu, dann fängt er den grimmigen Blick eines Verkäufers aus dem Ladeninneren auf. Ben lächelt und winkt dem Mann zu, dessen Miene die Wut verliert, bis er plötzlich zurücklacht und ihm zuzwinkert. Erinnert sich wohl, dass er auch mal verliebt war.
Er strafft die Schultern. Lange genug hat er um Liebe und Anerkennung gebettelt, sich verstellt und Mrs. Alvarado und Mr. Moran angelogen. Er braucht die Zuneigung von Mommy und Sally nicht mehr und er wird sich auch nie mehr in den Keller schicken lassen.
„Jaclyn.“
Gleich wird er sie treffen und zu einem Eis einladen. Das Geld hat er sich durch Zeitungen austragen verdient und bisher nicht einen Cent ausgegeben.
„Jaclyn.“
Allein, ihren Namen zu flüstern, vertreibt die dunklen Wolken, die ansonsten seine Gedanken umnebeln. Unweigerlich zeichnet sich die Erinnerung ein weiteres Mal vor seinem inneren Auge ab.
Er hasst es, in der Kiste zu stecken. Er hasst es, sich daran zu erinnern, wie er schreit und tobt, weint, bis er keine Luft mehr bekommt. Wie er seine Finger zwischen die Holzlatten schiebt, rüttelt und drückt.
Wenn er aufhört und stillhält, fressen ihn die Schatten.
In den finsteren Ecken des Kellers, hinter von Spinnweben verhangenen Nischen, lauern Dämonen. Sie strecken ihre Klauen aus, schnappen mit rasiermesserscharfen Reißzähnen nach ihm, fauchen ihm ihren heißen, stinkenden Atem entgegen.
Nicht denken. Nichts hören, nichts sehen, riechen, schmecken. Nichts fühlen!
Wenn er nicht schreit, holt Mommy ihn irgendwann aus dem Keller und er darf in seinem Zimmer schlafen.
Er macht ins Bett. Zur Strafe schickt Mom ihn wieder in die Kartoffelkiste.
„Jaclyn!“
Die Monster verblassen. Ein goldener Streifen schiebt sich in die Finsternis, erhellt das Schwarz, lässt stickigen Staub plötzlich als blitzende Fünkchen umhertanzen im wilden, unregelmäßigen Rhythmus seines Herzens.
Er sieht blauen Himmel, spürt Wärme auf der Haut. Hand in Hand läuft er mit dem Mädchen über eine Wiese, bis es sich atemlos ins Gras fallen lässt. Er landet halb auf ihr, sein Mund nur eine Handbreit von ihrem Gesicht entfernt. Kirschrote Lippen. Ein Rauschen in den Ohren. Schmetterlinge im Bauch.
Das Rot wandelt sich in rostiges Rotbraun. Es zerfließt, breitet sich aus, verdeckt ihr Gesicht, bis nur noch Rot zu sehen ist.
Blut.
Alles um ihn herum ist rot, voller Blut. Es ist noch warm. Der Geruch raubt ihm den Atem, reißt Wunden auf. Panisch blickt sich Ben in alle Richtungen um. Die Wände sind mit Blut bespritzt, der Boden eine einzige Lache. Er steht mittendrin. Ungläubig betrachtet er seine Hände, seine Arme. Von Kopf bis Fuß ist er voll Blut.
Aus den Ecken drängen sich die Monster und schieben sich auf ihn zu. Er hört wieder ihr Keuchen, sieht, wie sie ihre rasiermesserscharfen Klauen nach ihm ausstrecken. Alle wohligen Gefühle versinken in eisiger Finsternis. Schwärze. Totenstille.
Ein Rasseln scheucht sie zurück.
Aus dem Rasseln erhebt sich eine Stimme.
Ben erwacht und spürt sofort die kalte Feuchtigkeit um seine Hüften. Er greift sich in den Nacken, springt auf und rennt ins Bad.
Unter der Dusche versucht er, seinen Traum davonzuspülen. Es ist stets derselbe. Er beginnt mit den Erinnerungen, als er acht oder neun war, und endet mit Blut, Panik und furchterregender Schwärze.
Und damit, dass er sich mit dreiunddreißig noch immer einnässt. Er schiebt die Hände in sein nasses Haar, das ihm bis über
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