Verhängnisvoll - Felsing, K: Verhängnisvoll
scheint Fergus seiner Aufforderung Folge zu leisten.
„Nen Bier?“, fragt Mrs. Mosca.
„Nein, danke.“ Er sieht sich in der schäbigen Küche um. Sie ist kein Vergleich zur stets sauberen Küche seiner Mutter, in der man vom Fußboden hätte essen können. Im Gegensatz dazu würde man bei Mrs. Mosca sogar satt davon.
„Bitten Sie doch Fergus, gleich eine Tüte Müll mit runterzunehmen.“ Ben nickt in Richtung einiger Pizzakartons, die sich auf dem Mülleimer stapeln. Aus einem dringt ein leises Rascheln. Es entlockt ihm ein Grinsen.
„Geht nich’“, erwidert Mrs. Mosca. „Barack ist seit drei Tagen verschwunden.“
„Barack?“
„Fergus’ Wüstenrennmaus. Hat er vor ner Woche angeschleppt.“
„Wenn Sie Barack nicht einfangen, stirbt er in Kürze an einer Schimmelpilzvergiftung.“
„Keine Panik, die Pizzareste sind erst zwei Wochen alt.“ Gelangweilt greift Mrs. Mosca zu einer Nagelfeile und beginnt, ihre Fingernägel zu bearbeiten.
Eine Tür knallt zu, das pfeifende Geräusch von Wasserrohren durchdringt die Wohnung. Wenn Ben die Augen schließt und sich auf nichts als den Ton konzentriert, könnte es das Quieken der Maus sein, die einen Ausweg aus ihrem Labyrinth sucht, in dem sich die Lebensbedingungen tödlicher Gefahr nähern. Leider dauert das Geräusch nur eine knappe Minute, dann ist Fergus’ Morgentoilette abgeschlossen. Wahrscheinlich hat er die Brause ohnehin nur alibihaft angestellt und sich stattdessen von oben bis unten mit
John Paul Gaultier
einparfümiert. Woher Fergus das Geld dafür hat, will Ben nicht wissen.
Die Duftwolke eilt dem schwarzen Jungen voraus und Ben verabschiedet sich von Mrs. Mosca. „Sorgen Sie für Mittagessen, wenn Ihr Sohn nach Hause kommt, und lassen Sie sich seine Hausaufgaben zeigen.“ Er wird am Nachmittag unverhofft noch einmal bei der Familie reinschneien, um zu kontrollieren, ob seine Anweisungen befolgt wurden. Sollten sie. Mrs. Mosca ist sich der Folgen bewusst, ihr nächster Scheck von der Sozialversicherung könnte gekürzt werden, wenn sie kein Essen für Fergus kocht. Sie nickt. Wenn ihr Blick töten könnte, läge er wahrscheinlich zerschmettert unter dem dünnen Teppich, der die Holzdielen im Flur bedeckt.
Vor dem Haus reicht er Fergus einen Helm und setzt seinen eigenen auf. Während sich der Junge von hinten an ihn klammert, durchzuckt Ben zum wiederholten Mal der Gedanke, einfach mit ihm davonzubrausen. Vielleicht in die Chocolate Mountains, weit im Hinterland von San Diego. Ein verlassener Wohnwagen steht dort, sicher schon seit Jahren, doch niemanden schert es. Ganz in der Nähe befindet sich ein riesiger Truppenübungsplatz. Wenn die Marines dort ihre Schießübungen machen und sich der Sound mit Fergus’ Schreien vermischt, entsteht garantiert eine prickelnde Atmosphäre. Er könnte Fergus eine Fußschelle umlegen und sie an dem Chassis befestigen. Ihn nur einzusperren, hätte keinen Sinn. Ohne Fesselung könnte ein kräftiger Junge wie er ohne Probleme die Außenhaut mit einem Tritt zerstören und hätte leichtes Spiel, sich zu befreien. Aber mit einer Fußschelle? Er könnte ihm eine Säge als Werkzeug zur Hand geben. Vielleicht wie
Mad Max
im Film mit einer Art Zeitbombe.
Für das Durchsägen des Metallrahmens oder der Kette brauchst du zehn Minuten. Für deinen Fußknöchel … in sieben Minuten macht es Bäng! Streng dich an … Ben
.
Bedauerlich, dass das nur in seiner Fantasie abläuft. Keine Kontakte aus seinem persönlichen Umfeld. Das Internet ist eine Oase für Wilderer. Heute Abend wird er wieder auf die Pirsch gehen.
Es
wartet.
Reese streichelte Simbas Oberarm entlang und fühlte plötzlich viel zu vertraute warme Feuchtigkeit. Abrupt setzte sie sich auf.
„Gott, du blutest.“
„Hey, sagte ich nicht, du sollst mich Simba nennen?“ Er strich ihr zärtlich eine Haarsträhne hinter das Ohr und wandte erst dann den Blick auf seinen Arm. „Viel schlimmer scheint mir, dass ich dein Bettzeug versaut habe.“
„Na, du hast Sorgen …“
„Jeder hat das Recht auf meine Meinung.“ Sein leises Lachen klang unverschämt sexy.
Beinahe hätte Reese vergessen, warum sie die Beine aus dem Bett geschwungen hatte. Sie fischte nach ihrem Bademantel. „Ich hole Verbandszeug.“
Sie wünschte sich, im Boden zu versinken. Ein Faden hatte sich gelöst und Simbas Wunde klaffte an dieser Stelle auseinander. Was sollte er nur von ihr und ihrer ärztlichen Kunst denken?
„Du kannst nichts dafür“, sagte er.
Sie
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