Verhängnisvolle Wiedersehen (The Immaculate Breed) (German Edition)
Ich kann Euch beschützen, ohne dass Euer Heiligstes in Gefahr ist.“
Die Sophora hustete gequält. Ein unangenehmer Schauer durchlief ihren schlanken, nicht gerade üppig, aber an gewissen Stellen unverkennbar gerundeten Körper. Das Heiligste.
Vielleicht wären viele Dinge anders verlaufen, wenn sie ihre Jungfräulichkeit nicht mit Händen, Füßen und Waffen verteidigt hätte. Das hätte ihr ein Vielfaches an Demütigungen erspart. Denn sie wartete keineswegs auf den Einen, mit dem sie den Rest ihres beinahe ewig währenden Lebens verbringen würde. Nein, sie hatte sich nie jemandem hingegeben, weil sie Angst hatte, ihre seherischen Fähigkeiten zu verlieren. Das letzte Bisschen Reinheit, dass sie sich bewahrt hatte, während alles andere an ihr besudelt war vom Blut ihrer dahin gerafften Feinde. Ihrer bornierten Überzeugung, Mensch und Immaculate doch noch zu einem friedlichen Miteinander bewegen zu können. Dafür kämpfte sie, seit sie ein Kind war. Ein junges Mädchen noch. Der Spross bäuerlicher Eltern, kaum fähig ihren Namen zu schreiben und doch die Gewissheit besitzend, etwas Besonderes zu sein, das zu etwas Großem bestimmt war.
Godh war ihr im Traum erschienen. Nein, nicht im Traum. Im Fieber. Ihre schwache Konstitution hatte sie seit ihrer Geburt kränkeln lassen. Er hatte sie gesund gemacht. Auf seine Weise. Erst viele Jahre später hatte sie erfahren, dass sie anders war als die anderen. Als ihre Eltern, als die Leute in ihrem Dorf und sie war ihrer Bestimmung gefolgt. Beinahe bis in den Tod.
Erneut brandeten die Bilder des Feuers vor ihrem inneren Auge auf. Hellga erlöste sie davon, in dem sie verkündete, dass sie soweit war. Ich habe keine Angst... Die Sophora hob die Arme ausgestreckt nach oben. Auch das hatte sie bereits viele Male getan.
Dafür wurde ich geboren...
Hellga schnürte den Oberkörper ganz flach und fest. Die Sophora steckte den linken Daumen in den oberen Rand des Verbandes. Dort, wo gerade noch eine winzige Lücke über dem Brustbein aufklaffte. Das B-Körbchen ließ sich nun mal nicht komplett auf null reduzieren. Mit schmerzverzerrtem Gesicht nahm sie einen tiefen Atemzug, der von der Walküre mit einem fast schon bekümmernden Seufzen begleitet wurde. Dann reichte Hellga ihr ein Kleidungsstück nach dem anderen an, das die Verwandlung zu einem Jungen beinahe perfekt machte. Schwarze, abgewetzte Männerjeans, schwere Stiefel mit flachem Profilabsatz, die ihre schlanken Waden unter der Hose breiter aussehen ließen. Ein weites Shirt, das den Anschein erweckte, sie müsste noch hineinwachsen und würde das mit ordentlichen Mahlzeiten und ein bisschen Krafttraining auch noch schaffen, wobei sie schon jetzt stärker war als so mancher Mann ihrer Spezies und eine schwere Lederjacke, die sie an den Schultern ausgestopft hatte, damit diese breiter und maskuliner wirkten.
Nur wer sie gut kannte, ahnte hinter den vollen weichen Lippen, den hohen, fast schon aristokratisch anmutenden Wangenknochen und den für einen Mann ungewöhnlich weichen Haaren sowie dem fehlenden Bartschatten im Gesicht, dass sie jemand vollkommen anderer war, als sie vorgab zu sein. Ihr Duft würde sie trotz des Mondes und ihres ungebundenen Status nicht verraten. Seit sie mit letzter Kraft dem tödlichen Feuer des Scheiterhaufens entkommen war, hatte offenbar selbst ihr Körper ein Einsehen gehabt und aufgehört, ihre Weiblichkeit mit dem Duft süßer Äpfel zu unterstreichen. Sie selbst roch sowieso nur noch brennendes Holz, egal ob es nun da war oder Einbildung. Hellgas Begleitung kam ihr nur recht. Die Walküre roch gerade in diesen Tagen wie ein ganzer Wald von Nadelbäumen nach einem dicken Regenguss und gnade dem Mann, den sie heute Abend in ihr Bett zerren würde. Der würde gewiss sein blaues Wunder erleben.
Einige Zeit später
„Oh mein Gott!“
Mehr brachte die Empfangsdame des Eagle Buildings nicht heraus, als ihr der Hörer des Telefons, mit dem sie die Sicherheitsleute hatte rufen wollen, aus der Hand genommen wurde. Die dick muskulöse Blondine war doch noch gar nicht richtig hereingekommen. Eben noch hatte sie draußen gestanden. Hinter dem Jungen in Schwarz, der nun ebenfalls direkt an ihrem Empfangstresen stand und missbilligend den Kopf schüttelte. Offenbar die Begleitung der Blondine oder umgekehrt. Wenn sie hätte raten müssen, dann beschützte hier die Frau den Mann oder sorgte für sich selbst, während er nur der Dekoration diente. Eventuell war sie auch die Mutter. Das war
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