Verhängnisvolle Wiedersehen (The Immaculate Breed) (German Edition)
hin gehen, wo wir etwas ungestörter sind?“ Sie winkte der Empfangsdame, die sie tatsächlich immer noch misstrauisch beobachtete und ganz bestimmt eine Hand am Telefon hatte, um für den Fall des Falles die Sicherheitsbeamten zu rufen. Dabei war die Polizei doch schon im Haus. Jeanne bedachte Brocks Dienstmarke mit einem nachsichtigen Lächeln. Sie war sicher, dass er sie ganz allein herauswerfen konnte, wenn er es für nötig hielt.
„Astyanax schickt uns mit den letzten beiden Gaben, Pia Nicolasa.“, sagte Jeanne leise. „Außerdem wollte er, dass wir uns unterhalten. Er sagt, Ihr habt ernsthafte Zweifel an Eurer Aufgabe und Eurer Bestimmung.“
Nicolasa machte eigentlich nicht den Eindruck, als würde sie an irgendetwas zweifeln. Die Bilder vorhin hatten ganze Bände voll gesprochen. Sie war Jeanne selbstbewusster und entschlossener erschienen, als sie es selbst je zu ihren besten Zeiten gewesen war.
Nico versteifte sich sofort, als der Name von Nathans Vater fiel. Es fiel ihr schwer, ihr sonst so ausdrucksstarkes Gesicht ruhig zu halten und es würde ihr wohl auch kaum gänzlich gelingen, wie sie mit einem Blick unter halb gesenkten Lidern zur Walküre hinauf feststellte. Zum ersten Mal verstand sie den Drang einiger Männer, die Fäuste sprechen zu lassen, um ihren Standpunkt zu verdeutlichen.
Ich habe kaum ein Wort mit dem Mann gewechselt! Wie kann er es wagen, meine Einstellung zu meiner Aufgabe anzuzweifeln?!
Das war kein guter Anfang für den Tag. Nico schien noch blasser als zuvor zu werden. Sie kam sich vor wie ein gemaßregeltes Kind. Und dabei bemühte sie sich wirklich, den Aufgaben der Sophora zum einen und der Kriegerin zum anderen gerecht zu werden. Sie trainierte fleißig, sie las, so viel sie konnte über die großherzigen Spender ihrer neuen Fähigkeiten und sie versuchte auch auf privater Ebene, sich weiterzuentwickeln. Manchmal hatte der Tag einfach nicht genug Stunden und Nico wünschte sich oftmals, nicht schlafen zu müssen. War das etwa nicht genug?
„Jeanne, Hellga… Ich denke, es wird das Beste sein, wenn wir nach oben in die Zentrale fahren. In der Bibliothek dürften wir ungestört sein. Brock holst du schon mal den Fahrstuhl?“, bat sie ihren Beschützer, dessen Nähe ihr plötzlich mehr als recht war. Wie konnte sie sich kämpferisch und verletzlich auf einmal fühlen? Das musste der Schlafentzug sein oder das ausgelassene Frühstück oder besser gesagt Frühstück und Mittagessen, es war wahrscheinlich beinahe schon wieder Zeit für das Abendessen.
„Ich lasse Tee mit allen Schikanen bringen, Schätzchen. Du siehst nicht so aus, als hättest du heute schon was gegessen.“, flüsterte Brock in ihr Ohr, der in der Kabine hinter ihr stand und ihre Schultern umfasst hielt. Er spürte gerade zu deutlich ihre Erschöpfung und Aufregung.
Wer immer dieser Atta-Boy war, er hätte sich Zeit lassen können, Nico mit dem Besuch hier zu überfallen, der sich unangenehm offiziell anhörte.
Zweifel! Von wegen! Kritik an seiner Herrin nahm Brock überaus persönlich.
Die kleine Delegation trat aus dem Fahrstuhl und Brock öffnete Nico die Tür zur Bibliothek, um sich dann kurz zu entschuldigen. Er wollte einer Lost Soul auftragen, dass sie (starken) Tee brauchen konnten und nicht dieses blumige Gesöff, das Nico sonst bevorzugte.
„Nehmen Sie doch Platz.“, forderte Nico ihre Gäste auf und setzte sich ihnen gegenüber, als sie zwei Stühle an dem langen Tisch ausgewählt hatten. Der große Koffer blieb rechts vom Eingang abgestellt, wo er am wenigsten stören würde.
„Ich dachte, Astyanax würde die Geschenke an die Krieger gerne persönlich übergeben...? Aber wahrscheinlich ist er durch seine Aufgaben zu sehr eingebunden… Möchten Sie vielleicht, dass ich Tiponi hinzu rufe, Jeanne? Es genügt übrigens vollkommen, mich Nico zu nennen… Es sei denn, Sie bestehen für sich auf dem Titel.“
Nico verschränkte die Hände auf der glatt polierten Tischplatte und sah die junge Frau fragend an. Anscheinend war ihre Person für die beiden Damen hier nicht das kleinste Geheimnis, aber sie selbst wusste nicht, mit wem sie es zu tun hatte. Wenn Nathans Vater eine Entschuldigung von ihr erwartete, dann… konnte er lange darauf warten! Der Gedanke war schneller gedacht als aufgehalten. Eigentlich hatte sie nur sagen wollen, dass sie diese Dinge gern Auge in Auge erledigte.
Tee und etwas zu essen war auch Jeanne gerade gar nicht so unrecht. Sie verweigerte schon seit Tagen richtige
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