Verhängnisvolles Gold
Sekunde wirken und versuche abzuschätzen, wie stark er wirklich ist. Es gehen regelrechte Kraftwellen von ihm aus, aber ich weiche nicht zurück. Allerdings trete ich auch nicht näher. Ich bin klüger, hoffe ich wenigstens, und wiederhole einfach, was ich will: »Sag mir, wie man nach Walhalla kommt.«
Sein Gesicht verzieht sich langsam zu einem wohldosierten Lächeln, während seine Hände weiterhin über die Saiten rasen. »Warum erzählst du mir nicht, wen du verloren hast?«
»Als wenn du das nicht wüsstest.«
»Ich weiß es nicht.«
»Woher weißt du dann, dass ich überhaupt jemanden verloren habe?«
»Meine Süße, wer immer nach Walhalla will, hat einen Krieger verloren. Sag mir, wer dein Krieger war.«
An der Wand auf der rechten Seite sind ein paar Fenster. Wenn ich über die Köpfe und Kostüme und Bierwerbungen hinwegsehe, kann ich nach draußen schauen und dann geht’s mir gleich viel besser. Seit ich mich verwandelt habe, geht es mir draußen immer am besten. Es schneit.
Ich rieche, dass Issie und Cassidy hinter mir näher kommen. Issie riecht nach Flieder. Cassidy umgibt der Duft, den man immer in New-Age-Läden findet. Keine Ahnung, wie er heißt. Egal. Wichtig ist, dass ich die Information bekomme.
Ich konzentriere mich auf den Geiger und versuche, stärker und entschlossener auszusehen, das Bild einer Elfenfrau zu vermitteln, die man nicht verärgern möchte. »Sag mir einfach, wie ich dorthin komme.«
»Knirschst du etwa mit den Zähnen?« Er lacht. »Das solltest du schön bleiben lassen. Nutzt sie ab. Elfen brauchen scharfe Zähne.«
»Sag’s mir einfach«, beharre ich und füge sicherheitshalber noch »bitte« hinzu.
»Und was gibst du mir dafür?«
»Alles«, platze ich heraus.
Er schaut mich erstaunt an und ich schlucke reumütig.
»Alles«, wiederholt er. »Alles … darüber muss ich nachdenken.«
Während ich warte, beendet er sein Stück. Die Leute klatschen. Jemand johlt und verlangt mehr. Der Fiedler lächelt, winkt mit dem Bogen ins Publikum und wendet dann seine Aufmerksamkeit wieder mir zu. »Wie wär’s, wenn ich dir jetzt ein kleines Informationshäppchen geben würde?«
Hoffnung wallt in mir auf. »Okay.«
»Die Königin, deren Platz du eingenommen hast, ist zum Apple zurückgekehrt. Hilft dir das weiter?« Er klopft sich auf die Schenkel, als wäre er wer weiß wie lustig und schlau. Dann fängt er wieder an zu spielen. Die Königin, deren Platz ich eingenommen habe, muss Astleys Mutter sein. Aber was bedeutet Apple? Bevor ich fragen kann, räuspert sich der Elf und sagt: »Ein Rat noch, Frischling. Wir sind nicht alle auf der Seite deines kleinen Sternenkönigs. Kapiert? Keineswegs. Einige von uns sind einfach für sich selbst dabei und andere, wie die da drüben in der Ecke, einfach für das Böse.«
»Was meinst du mit ›Apple‹?«, frage ich, während ich die Frau in der Ecke mustere. Sie verbirgt sich nicht hinter einem Zauber, sondern zeigt ihr wahres Ich. Ihre Fangzähne ragen aus ihrem Mund und das Blau ihrer Haut beißt sich mit dem Rot ihres paillettenbesetzten Kleids. Sie hat den Arm um die Taille einer Mumie gelegt. Die Mumie ist menschlich, männlich und wahrscheinlich dem Tod geweiht. Das kann ich nicht zulassen, deshalb steuere ich auf sie zu. Auf halbem Weg halte ich inne und rufe dem Fiedler zu: »Und was ist mit dir? Auf welcher Seite stehst du?«
»Ich? Ich steh für mich allein.« Er zieht die Augenbrauen hoch und fügt hinzu. »Genau wie du.«
Eine Sekunde lang beäugen wir uns gegenseitig. Die Welt scheint stehen zu bleiben, sich in Zeitlupe zu bewegen, während wir die Absichten des anderen ausloten. Seine Pupillen flackern kurz auf. Also ob er mich hypnotisieren wollte, es aber nicht schafft. So schwach bin ich nicht. Für den Bruchteil einer Sekunde frage ich mich, ob ich ihn hypnotisieren könnte, ob ich seinen Willen brechen könnte, aber so etwas tue ich nicht. Ich bin vielleicht ein Elf, aber ich bin immer noch gut.
Wirklich?
Ich bin immer noch gut.
»Was meinst du mit ›Apple‹?«, frage ich noch einmal.
»Zara!« Issies schriller Schrei dringt durch die Menge. Ich wirble zu ihr herum: Die Elfenfrau hält Issies Kopf im Schwitzkasten und kann ihr jeden Augenblick das Genick brechen.
In Bedford, Maine, verschwinden weiterhin Jungen. Doch die verdammte Stadt tut so, als wäre alles in Butter. Als ob der ganze Ort den Kopf in den Sand oder besser in den Schnee stecken würde. Soweit ich weiß, schneit es dort seit drei
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