Verhängnisvolles Gold
dieser Bifröst einen Geruch absondert, den ich sogar im Auto wahrnehme. Es ist ein arroganter Geruch. Wie Feuer oder Tod oder … Genau diesen Geruch verströmte auch Frank, als er Nick tötete.
Ich drücke die Autotür auf, missachte den Schmerz und fange an zu rennen. Aber schon nach wenigen Schritten explodiert die Brücke.
Die Zeit bleibt stehen.
Die Explosion ist so laut, dass es mir vorkommt, als würde sie jedes Geräusch aus der ganzen Umgebung in sich aufsaugen.
Eine Sekunde verstreicht.
Noch eine.
Es riecht nach brennendem Fell und Schwefel. Kristallscherben regnen vom Himmel herab. Jemand schreit. Schwarzer Rauch umhüllt und verbirgt alles.
»Mrs. Nix!«, schreie ich. »Mrs. Nix!«
Aber ich weiß, dass es zu spät ist.
Die Stille ist gewaltig und erschreckend zugleich.
Das hatte mir gegolten.
Einen Augenblick lang bewegt sich niemand. Dann geht alles in Zeitlupe. Cassidy schreit – unnatürlich hoch und wehklagend, die Luft scheint zu vibrieren. Meine Mom tritt vor sie und fasst sie an den Armen. Issie rührt sich nicht. Sie steht unter Schock. Devyn nimmt sie in den Arm und schützt ihren Kopf vor herabfallenden Trümmern. Astley dreht sich zu mir um. Unsere Blicke treffen sich, obwohl ich immer noch renne und die Entfernung noch sehr groß ist. Er stürzt mir halb springend und halb fliegend entgegen.
»Alles in Ordnung?«, fragt er. Sein Blick wandert prüfend über meinen Körper.
»Ja. Und du?« Ich frage ihn, obwohl ich die angesengte Stelle auf seiner Stirn, das Brandloch in seiner Jacke und die Schnittwunde an seinem Ohr sehe. Ich drehe ihn herum, damit ich ihn besser inspizieren kann.
»Ich bin nicht verletzt.« Seine Stimme ist ganz weich vor lauter Sorge.
Ich übergehe diese Lüge einfach und stelle mich auf die Zehenspitzen. Hinter seinem Ohr steckt eine nicht allzu große Scherbe aus einer roten kristallartigen Substanz. »Halt still.«
Bevor er etwas sagen kann, greife ich nach der Scherbe. Die Berührung brennt, denn die Scherbe ist sehr heiß. Ich ziehe sie trotzdem mit einer schnellen Bewegung heraus und werfe sie auf das schneebedeckte Straßenpflaster. Da Blut aus der Wunde spritzt, drücke ich meine Hand fest dagegen.
»Sie ist tot, nicht wahr?«, flüstere ich.
Er nickt. »Ihr Wesen … Ich kann nicht … Sie ist tot.«
Der Schmerz droht mich zu verschlingen, aber ich schiebe ihn beiseite. Es gibt etwas zu tun. Mrs. Nix würde wollen, dass ich mich um die anderen kümmere. Dennoch schlägt mein Herz ganz langsam, kraftlos und voller Schmerz. Wir haben schon so viele verloren.
In letzter Zeit habe ich gelernt, dass Menschen auf sehr unterschiedliche Art und Weise mit dem Tod umgehen. Einige kämpfen und tun alles, was irgend möglich ist, um ihn zu verdrängen. Andere verlieren sich im Schmerz. Und manche verlieren sich im Zorn.
Ein Brüllen erfüllt die Luft. Es lässt die Schneeflocken erzittern und verwandelt sich von einem bloßen Geräusch zu solidem Zorn. Astley packt mich am Arm und zieht mich hinter sich. Ich schubse ihn weg, damit ich etwas sehe. Betty hat sich verwandelt und steht als Tiger bei meiner Mutter und den anderen. Devyn schiebt sich schützend vor die ganze Gruppe, aber warum sollte er sie vor Betty in Schutz nehmen? Auch Amelie weicht zurück, als ob sie Angst vor dem Gefressenwerden hätte. Aber das Augenmerk des Tigers liegt nicht auf ihnen. Dann begreife ich. Selbst aus der Entfernung merke ich, dass sich Bettys Zorn und ihre Mordlust auf ein bestimmtes Ziel richten.
Der Tiger geht zwei Schritte und macht dann mit aufgerissenem Rachen einen Satz. Der vordere Teil seines Körpers und die Pranken mit den ausgefahrenen Klauen strecken sich, mit einer Pranke schlägt er Bifröst zu Boden, mit der anderen reißt er seinen Körper auf. Dann bleibt er knurrend über ihm stehen. Issie keucht. Ich kann nichts tun. Es ist zu spät. Mein Griff um Astleys Arm wird fester, als Bifröst sich nicht mehr bewegt.
Nachdem der Tiger mit Bifröst fertig ist, dreht er sich um und schaut mich mit blutverschmiertem Maul an. Wilder Zorn und Trauer flackern in seinen Augen. Er geht einen Schritt auf uns zu. Astleys Muskeln spannen sich an und er macht sich auf einen Angriff gefasst. Dann heult der Tiger auf, dreht sich um und springt mit großen Sätzen davon, zuerst in Richtung des Pavillons in dem kleinen Hafenpark und dann hinauf zu den Bäumen zwischen den Häusern und dem Park. Dann ist er verschwunden.
»Sie hat Bifröst umgebracht.« Ich taumle nach
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