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Verheißene Erde

Verheißene Erde

Titel: Verheißene Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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verschmolzen für Willem zu einer Art goldenem Schleier, und er konnte nicht einmal ahnen, was er tun mußte.
    Als er an Land gerudert wurde, ließ er Deborah auf dem Schiff zurück, denn sie mußte warten, bis ein Besitzer bestimmt wurde. Die Ansiedlung war viel kleiner, als er erwartet hatte, und wurde von nur einhundertzweiundzwanzig Menschen bewohnt. Es gab ein kleines Fort mit Lehmmauern, die an Regentagen sich aufzulösen drohten, und ein Gewirr primitiver Gebäude. Aber die Lage! Als damals im Jahr 1647 die schiffbrüchigen Seeleute an Land gewohnt hatten, war ihr Hauptquartier am Strand fünfzehn Kilometer weiter nördlich gewesen, und Willem hatte das prächtige Tal am Fuß des Tafelberges nur aus der Entfernung gesehen; nun stand er am Rand dieses schönen Gebietes, das von drei Seiten durch Berge geschützt war, und er glaubte, wenn genügend Ansiedler einträfen, würde das eine der schönsten Städte der Welt werden.
    Er wurde vom Kommandanten begrüßt, einem kleinen, energischen Mann Ende Dreißig mit so dunklem Teint, daß ihn die blonden Holländer verdächtigten, italienischer Herkunft zu sein. Er trug einen ziemlich vollen Schnurrbart und kleidete sich so anspruchsvoll, wie es Grenzlandbedingungen zuließen. Seine Stimme war höher als bei einem reifen Mann üblich, aber er sprach so rasch und bestimmt, daß er Aufmerksamkeit und Respekt fand.
    Der Schiffsarzt Jan van Riebeeck hatte in den meisten Gewürzhäfen gedient und war, nachdem er die Medizin aufgegeben hatte, nach Japan gegangen. Dort hatte er sich zu einem geschickten Kaufmann und Händler entwickelt und erzielte sowohl für die Kompanie als auch für sich selbst Gewinne. Er investierte in seine privaten Geschäfte genausoviel Zeit wie in die der Kompanie, bis seine Gewinne so hoch waren, daß sie der Kompanie nicht mehr verborgen blieben. Man beschuldigte ihn privater Handelsgeschäfte und rief ihn nach Batavia zurück. Dort wurde er sehr nachsichtig behandelt und schließlich aus disziplinarischen Gründen nach Holland zurückgeschickt. Zu vorzeitigem Ruhestand gezwungen, hätte er sein Leben vielleicht in aller Stille beendet, wenn ihn nicht besondere Umstände zurück ins Hauptgeschehen getrieben hätten, die ihm obendrein noch zu einem ehrenvollen Platz in der Geschichte verhalfen.
    Als die »Siebzehn Herren« beschlossen, am Kap einen Versorgungsstützpunkt einzurichten, bestimmten sie zunächst einen der Männer zum Leiter, der die Handelsgüter nach dem Schiffbruch der »Haerlem« bewacht hatte und mit dem Gebiet vertraut war. Als er ablehnte, meinte ein kluger, alter Direktor: »Wartet! Was wir wirklich brauchen, ist ein Kaufmann mit erprobten Fähigkeiten.«
    »Wen?«
    »Van Riebeeck.«
    »Können Sie ihm vertrauen?« fragten mehrere Herren. »Ich glaube, ja«, sagte der alte Mann, und so erhielt Jan van Riebeeck diesen Auftrag.
    Tatsächlich waren seine Instruktionen ganz einfach. »Errichten Sie einen Stützpunkt, der unsere Schiffe versorgen kann, aber tun Sie es, ohne daß unserer Kompanie Kosten erwachsen!« Dieser für die nächsten hundertfünfzig Jahre gültige Auftrag sollte bestimmen, wie sich dieses Land entwickeln würde: Es würde immer ein Handelsstützpunkt sein, nie eine freie Kolonie. Der Auftrag erklärte auch den Zustand der Ansiedlung, aber Willem war so vernünftig, seine Beobachtungen nicht zu äußern. Es ist viel schöner als Batavia, aber wo sind die Menschen? Das Land jenseits dieser Hügel! Es könnte Platz für eine Million Ansiedler bieten, und ich könnte wetten, daß es nicht einmal erforscht wurde.
    »Ich sah Ihren Bruder Karel oft in Amsterdam«, sagte van Riebeeck. »Wie geht es ihm?«
    »Er ist mit einem prächtigen Mädchen verheiratet. Sehr reich.« Willem bemerkte, daß der Kommandant sogar die Ehe vom Standpunkt des Geschäftsmannes aus betrachtete, und wechselte das Thema. »Werden bald mehr Menschen hierherkommen?« fragte er.
    Van Riebeeck blieb abrupt stehen und wendete sich ihm zu. Aus der scharfen Art, mit der er sprach, schloß Willem, daß er diese Rede schon früher gehalten hatte: »Sie müssen eines verstehen, van Doorn.« Obwohl er nur sechs Jahre älter war als Willem, sprach er mit Herablassung: »Das hier ist ein kommerzieller Besitz, kein freier Staat. Wir sind hier, um der Kompanie zu helfen, und wir werden die Kolonie nur vergrößern, wenn sie es uns befiehlt. Solange Sie hier an Land bleiben, arbeiten Sie für die Kolonie. Sie haben zu tun, was die Kompanie

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