Verheißene Erde
anordnet.«
In den nächsten Stunden lernte Willem seine Lektion. Es wurde ihm befohlen, wo er seine Reisetasche hinstellen, wo er sein Bett machen, wo er essen und wo er arbeiten solle. Er stellte fest, daß ein Bauer ein Stück Land bebauen, es aber nie besitzen konnte, und daß, was immer er pflanzte, für die Kompanie Gewinn bringen mußte. Als alter Javakenner war er über diese Vorschriften nicht erschrocken, aber er erinnerte sich, daß es in Batavia eine fröhliche Freiheit gegeben hatte, die durch seine Mutter verkörpert wurde, während hier am Kap düstere Beschränkung herrschte. Das schlimmste von allem war jedoch, daß die kleine Ansiedlung unter zwei Gruppen von Herren litt: Die »Siebzehn Herren« aus Amsterdam diktierten die Grundprinzipien, während die eigentlichen Vorschriften aus Java kamen. Der Generalgouverneur in Batavia war ein Kaiser, der Kommandant am Kap sein Funktionär in der Ferne. In Java entwarf man große Pläne, am Kap sorgte man sich um Rettich, Salat und Kresse.
Als Willem drei Tage später vor dem Kommandanten im Fort stand, fand van Riebeeck, daß er eine armselige Kopie seines Bruders war: Karel war groß und schlank, Willem etwas kurz und dicklich, Karel hatte ein lebhaftes, gewinnendes
Benehmen, Willem ein dickköpfiges, mißtrauisches Wesen, und Karel war offensichtlich erpicht auf Beförderung innerhalb der Kompanie, während Willem sich mit jeder Arbeit zufriedengab, solange er freie Hand hatte, das Kap zu erforschen. Besonders auffallend war der Unterschied, wenn man sich die Frauen ansah, die sie gewählt hatten: Willem war, wenn man dem Schiffskapitän glauben konnte, eine Verbindung mit einer mohammedanischen Sklavin eingegangen, während Karel die Tochter eines der reichsten Kaufleute in Amsterdam geheiratet hatte.
»Eine wunderbare Partie«, sagte van Riebeeck. »Die Tochter von Claes Danckaerts. Sehr reich.«
»Das freut mich für ihn«, antwortete Willem. In Wirklichkeit erinnerte er sich kaum an seinen Bruder und konnte sich nicht vorstellen, wie sich Karel in den acht Jahren verändert hatte, seit er das Wrack der »Haerlem« verlassen hatte, um in die Heimat zu segeln. Nach den Worten des Kommandanten mußte er Erfolg haben.
»Für Sie haben wir den Weingarten vorgesehen«, fuhr van Riebeeck fort. »Haben Sie jemals Trauben gezüchtet?«
»Nein.«
»Sie sind genauso wie die anderen.« Als van Doorn ihn verdutzt anstarrte, führte ihn der energische kleine Kommandant zu einer Brüstung, von der aus man die Täler am Fuß des Tafelbergs überblicken konnte, und sagte mit großer Begeisterung: »Auf diesem Boden wächst einfach alles. Aber manchmal stellen wir es nicht richtig an.« Er zuckte in Erinnerung an einen früheren Mißerfolg zusammen. »Ich wollte von Anfang an Trauben züchten. Ich brachte Samen mit, aber unser Gärtner baute sie so an, wie man Weizen anbaut. Er streute sie auseinander, pflügte sie ein, und sechs Monate später erntete er Unkraut.«
»Wie soll man sie pflanzen?«
»Als eingewurzelte Ranken, jede gesondert. Dann macht man Setzlinge.«
»Was sind Setzlinge?«
Geduldig erklärte ihm van Riebeeck die komplizierten Vorgänge, in deren Folge aus Europa importierte Pflänzchen sich schließlich in Weinfässer verwandeln sollten, die man nach Java schicken konnte. »Warum machen wir uns die Mühe?« fragte Willem, denn er sah, daß Obstbäume und Gemüse gedeihen würden.
»Java verlangt Wein«, entgegnete der Kommandant scharf. Er schob Willem zurück in sein einfaches Büro und wies auf eine große Landkarte, die die Schiffsroute von Amsterdam nach Batavia zeigte: »Jedes Schiff, das diese Gewässer durchfährt, möchte Wein. Aber sie können ihn nicht aus Holland bringen, weil er so schlecht ist, daß er schon vor dem Äquator verdirbt und als Essig zu uns kommt. Ihre Aufgabe ist es, hier Wein herzustellen .«
So wurde der nun dreißigjährige Willem van Doorn auf einem der Kompanie gehörenden Grundstück angesiedelt und bekam neun Fässer voll kleiner Weinreben, die aus dem Rheinland importiert worden waren. »Machen Sie Wein«, sagte van Riebeeck, »denn wenn es Ihnen gelingt, steht es Ihnen nach zwanzig Jahren frei, nach Holland zu fahren.«
»Ihnen auch?« fragte Willem.
»Nein, nein! Ich bin nur für kurze Zeit hier. Dann gehe ich zurück nach Java.« Seine Augen leuchteten. »Dort gibt es wirkliche Aufgaben.« Willem wollte schon sagen, daß er das Kap allen anderen Orten vorzog, aber da er nie in Holland gewesen war,
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