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Verheißene Erde

Verheißene Erde

Titel: Verheißene Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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drei Mann in die Wälder hinter der Stadt und kehrten bald darauf mit zwei braunhäutigen Männern und zwei Frauen zurück. Vor Einbruch der Nacht hatte Willems Schiff die Flotte eingeholt, und die lange Fahrt zum Kap nahm ihren Fortgang.
    Eine der Sklavinnen war ein Mädchen namens Ateh, eine siebzehnjährige braungelbe Schönheit. Sie schmollte, als Matrosen sie und die anderen in einen dunklen Raum unter
    Deck einschlossen, und sie protestierte, als man ihnen Essen nach unten warf. Sie verlangte Wasser zum Waschen, und die Matrosen hörten, wie sie den anderen befahl, sich zu benehmen. Und jeden Tag, wie trostlos er auch gewesen sein mochte, begann sie, irgendwann zu singen. Es waren belanglose Lieder, die sie als Kind in ihrem sonnigen Dorf gelernt hatte, aber wenn sie sang, machte sie das dunkle Gefängnis erträglicher.
    Bald war dieses Mädchen Ateh so bekannt, daß sogar der Kapitän von ihr Notiz nahm und ihr den Namen gab, unter dem sie später bekannt werden sollte: »Ateh ist heidnisch. Wenn du in einer christlichen Kirche singen willst, brauchst du einen christlichen Namen.« Er blätterte in der Bibel und kam, wie bei den Holländern üblich, nicht über das Alte Testament hinaus. Dabei stieß er auf die lyrische Stelle in den »Richtern«, die für dieses singende Mädchen bestimmt zu sein schien: »Erwache, erwache, Deborah; erwache, erwache und sing ein Lied.«
    »Prophetisch!« sagte er und klappte das Buch ehrfürchtig zu. »Das soll ihr Name sein - Deborah.« So wurde sie von nun an gerufen. Da Willem für die Ablieferung der Sklaven verantwortlich war und sie möglichst am Leben erhalten wollte, ging er oft unter Deck, um sich zu vergewissern, daß man sie gut behandelte. Das führte immer zu Unterredungen mit Deborah. Bevor er die Leiter nach unten stieg, saß sie zusammengekauert in einem Winkel und haderte mit ihrem Schicksal. Wenn sie ihn kommen sah, ging sie nach vorne zum Gitter des Käfigs und begann zu singen. Kam er unten an, täuschte sie Überraschung vor, hörte mitten in einem Ton auf zu singen und warf ihm einen scheuen Blick zu, während sie ihr Gesicht verbarg.
    Da die Flotte nun jenen Teil des Indischen Ozeans erreicht hatte, wo die Temperaturen am höchsten waren, begannen die eingesperrten Sklaven zu leiden. Es fehlte ihnen an Nahrung,
    Wasser und Luft, und eines Mittags, als die Hitze am größten war, sah Willem, daß Deborah völlig erschöpft auf dem Boden lag. Auf eigene Verantwortung schloß er die Tür ihres Gefängnisses auf und brachte das Mädchen an die frische Luft. Er kniete bei ihr und sah zu, wie sie sich langsam erholte.
    Dabei bemerkte er mit Erstaunen, wie leicht Deborahs Körper war, und während sie im Schatten lag, bezauberte ihn ihr wunderbar ruhiges Gesicht mit den hohen Backenknochen und den zarten Lidern, so daß er sich kaum losreißen konnte. Als sie wieder einigermaßen bei Kräften war, stellte er fest, daß sie die Eingeborenensprache von Java beherrschte, zu deren seltsamer Tradition es gehörte, daß man die Mehrzahl bildete, indem man die Einzahl zweimal sagte. Wenn sate das Wort für die auf Bambusspieße gesteckten Stücke gerösteten Lammfleisches war, die mit Erdnußsauce serviert wurden, dann waren zwei dieser Köstlichkeiten nicht sates, wie in vielen Sprachen, sondern sate-sate; wenn die Eingeborenen rasch sprachen, klang es, als ob sie stotterten, und bald verliebte Willem sich in Deborahs Stimme.
    Fast jeden Tag erfand er eine Ausrede, um sie aus ihrem Käfig zu befreien, was jedoch bald den Unmut der holländischen Matrosen und der anderen Sklaven hervorrief. Eines Abends behielt er sie bei sich an Deck, und sie verbrachten die lange, feuchte Nacht miteinander, während die Sterne an der Mastspitze tanzten. Nach diesem Abend wußten alle, daß sie ein Liebespaar waren. Das stellte kein großes Problem dar, denn zahllose in Java arbeitende Holländer hatten Geliebte; es gab sogar Vorschriften für die Behandlung ihrer Bastardkinder, so daß niemandem großer Schaden zugefügt wurde. Da aber der Kapitän von Mevrouw van Doorn den Auftrag hatte, sich um ihren Sohn zu kümmern, fühlte er sich verpflichtet, den jungen Holländer zu warnen, als er sah, daß er eine feste Beziehung mit der kleinen Sklavin einging. Als ihm eines Morgens Matrosen berichteten: »Mijnheer van Doorn hat das kleine Malakkamädchen wieder in seiner Kajüte behalten«, ließ der ältere Mann Willem in seine Kabine kommen, wo er in einem großen Rohrstuhl hinter

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