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Verheißenes Land

Verheißenes Land

Titel: Verheißenes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Britt Harper
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verächtlich grinsenden Gesicht des Flussschiffers. Éanna sah ihm an, dass er innerlich kochte. Sie wusste, wie sehr er es hasste, wenn man ihn abfällig mit »Paddy« anredete. Und zwar nicht allein deshalb, weil »Paddy« und »Bridget« die Schimpfnamen waren, mit denen überhebliche Amerikaner Einwanderer aus Irland zu titulieren pflegten. Seit die Iren zu Hunderttausenden vor der entsetzlichen Hungersnot in ihrer Heimat flohen und nach Amerika auswanderten, standen sie bei den weißen Einheimischen auf der Beliebtheitsskala weit unten. Tatsächlich rangierten sie nur wenig über den Indianern und Schwarzen, die in Amerika völlig rechtlos und geächtet waren.
    Nein, der Name »Paddy« war Brendan auch noch aus einem ganz anderen, sehr privaten Grund zutiefst zuwider. Denn »Paddy« stand für Patrick und so hieß der Mann, der neben ihm eine wichtige Rolle in Éannas Leben gespielt hatte. Das war schon in Irland so gewesen und zu Brendans großem Missbehagen hatte es sich auch in New York nicht geändert.
    Schon oft hatte sich Éanna anhören müssen, dass ihr Freund Patrick O’Brien für einen verdammten Dandy und süßholzraspelnden Möchtegernschriftsteller hielt, der nie Armut kennengelernt hatte und immer auf das Feinste herausgeputzt daherstolziert kam. Das allein war schon Grund genug für Brendan gewesen, ihn nicht zu mögen und zum Teufel zu wünschen. Doch erst der Umstand, dass Éanna ihm ehrlich zugeneigt war und ihn immer wieder gegen Brendans Lästereien verteidigt hatte, war der Auslöser ihrer Streitigkeiten gewesen.
    Sie schüttelte den Kopf bei dem Gedanken daran, welche Vorhaltungen Brendan ihr gemacht hatte. Aber die Zeit, in der sie sich über Patrick O’Brien gestritten hatten, gehörte gottlob der Vergangenheit an. Sie waren nun auf dem Weg in ein neues Leben und Patrick gehörte nicht mehr dazu. Auch wenn Éanna ihren guten Freund vermisste, so war sie doch froh darüber, dass sie und Brendan nun von vorne beginnen konnten. Und auch Brendan schien mehr als beruhigt zu sein, keinen Nebenbuhler mehr um sich zu haben.
    Im Moment jedoch war von dieser Erleichterung nichts zu spüren, denn Brendans Gesicht verfärbte sich gerade zornesrot.
    »Das könnt Ihr nicht mit uns machen!«, rief er erregt aus, während er Éannas Hand wegstieß. »Ihr werdet uns gefälligst an Bord des Schiffes gehen lassen, Mann! Wir haben Tickets für die Lewis & Clark, das steht hier schwarz auf weiß!« Er streckte ihm die vier Fahrscheine für die Passage nach Independence entgegen.
    Der Bootsmann stieß Brendans Hand grob mit seinem Prügel zur Seite. »Nimm das Maul bloß nicht so voll, sonst kriegst du was auf deine dicke Lippe, Paddy«, herrschte er ihn an. »Und mach gefälligst deine Augen auf und lies richtig, falls du überhaupt lesen kannst! Auf den Tickets steht ›Deckspassage nach Independence mit der Lewis & Clark …‹«, er machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr und das nächste Wort nachdrücklich betonte: »› … oder einem anderen Boot der Missouri Packet Steamboat Company‹! Und welches Boot euch nach Independence bringt, wird man euch schon noch früh genug mitteilen!« Damit spuckte er ihm einen dicken Strahl Kautabaksaft vor die Füße und wartete einen Moment, ob Brendan die Nerven verlieren und auf ihn losgehen würde. Als das nicht geschah, drehte er sich mit einem verächtlichen Schnauben um und ging über die Gangway an Bord zurück. Dabei rief er den Matrosen zu, die Leinen zum Ablegen loszuwerfen und die Gangway einzuziehen.
    Sprachlos und hochrot im Gesicht stand Brendan im zunehmenden Regen und starrte auf die Tickets. Da stand es tatsächlich, klein gedruckt und unter der Umrisszeichnung eines Raddampfers, dieses ›oder einem anderen Boot der Missouri Packet Steamboat Company‹.
    »So eine Gemeinheit!«, stieß er schließlich wütend hervor. »Davon hat keiner was gesagt, als wir die Tickets gekauft haben. Und so winzig, wie das hier gedruckt steht, fällt das doch keinem auf!«
    Liam legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. »Mach dir nichts draus, Brendan. Das konnte ja wirklich niemand ahnen, geschweige denn wissen. Keiner von uns hat es bemerkt«, besänftigte er ihn. »Gegen die raffinierten Tricks, die sich diese Geschäftsleute einfallen lassen, sind wir sowieso machtlos. Je eher du dich damit abfindest, desto besser. Und jetzt lass uns lieber zusehen, dass wir aus dem Regen kommen!«
    Ungehalten schüttelte Brendan die Hand seines Freundes ab. »Du magst

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