Verheißenes Land
auf die Mitte des Mississippi genommen, hörte es auf zu regnen und der Abendhimmel klarte auf. Das war für Éanna und ihre Freunde ein wahres Geschenk, denn sie reisten als einfache Deckspassagiere und würden wieder einmal ohne Dach über dem Kopf schlafen müssen.
Gut gelaunt suchten sie auf dem Deck nach einem annehmbaren Schlafplatz und entdeckten schließlich zwischen den vielen Tonnen, Kisten und Seilrollen ein Fleckchen, wo sie es sich so gemütlich machten, wie es die Umstände erlaubten. Éanna lehnte sich gegen einen fest verschnürten Ballen Leinwandplane, der später vermutlich zu den Dachbespannungen der schweren Präriewagen verarbeitet werden würde. »Nun ja, wir sind schon schlechter gereist«, meinte sie.
»Da hast du allerdings recht«, stimmte Emily ihr sofort zu. »Ich schlafe zehnmal lieber hier auf den harten Planken und unter freiem Himmel als noch einmal in dem stinkenden Zwischendeck eines Auswandererschiffes. Wenn ich nur an die Metoka mit ihren Brettersärgen denke, die sie uns als Kojen verkauft haben!«
»Erinnere mich bloß nicht daran!«, kam es von Brendan und er schüttelte sich. Die Überfahrt nach Amerika auf dem entsetzlichen Schiff mit seiner skrupellosen Besatzung war ihnen schier endlos erschienen. »Mir reichen die Albträume, die ich manchmal noch davon habe. Ich werde nie vergessen, wie diese geldgierige Bande von Seeleuten die toten Passagiere einfach über Bord gekippt und den Haien …«
»Hör auf!«, fiel Liam ihm schnell ins Wort. »Lasst uns lieber von anderen Dingen reden. Was meint ihr, wird unser Geld auch wirklich reichen, um mit diesem Nathan Palmer und seinem Scout auf den Treck zu gehen? Wir müssen nicht nur die Gebühr bezahlen, sondern auch noch einen soliden Wagen, ein mindestens vierköpfiges Gespann, ausreichend Lebensmittel für gute viereinhalb Monate, Werkzeug, Ersatzteile …«
»Außerdem werden wir wohl ein, zwei Gewehre oder Revolver zur Verteidigung kaufen müssen, falls wir es auf dem langen Weg mit Rothäuten zu tun bekommen«, fügte Brendan hinzu.
Emily machte ein erschrockenes Gesicht. »Mal bloß nicht den Teufel an die Wand!«
»Ach was, so gefährlich wird es schon nicht werden«, erwiderte Éanna hastig und diese Beteuerung galt ebenso der Beruhigung ihrer Freundin wie ihrer eigenen. »Es gehen doch so viele Trecks auf den Trail nach Westen! Und wir reisen bestimmt in einer größeren Gruppe.«
»Vorausgesetzt, unser Erspartes reicht«, kam Liam auf den Punkt zurück, der ihn mehr mit Sorge erfüllte als die Gefahr durch kriegerische Indianer.
»Mhm, ja, das ist schon eine verdammt lange Liste«, räumte Brendan besorgt ein, während sich die Dunkelheit über den breiten Strom legte und die zurückweichenden Wolken am Nachthimmel den Blick auf die ersten Sterne freigaben. »Ich wünschte, wir wüssten schon, was das ganze Zeug kosten wird. Jetzt mögen uns unsere siebenhundert Dollar wie eine Menge Geld erscheinen, aber wenn die Händler in Independence ihr Monopol nutzen und gesalzene Preise verlangen, kann es schnell knapp werden.«
Die Freunde redeten noch eine ganze Weile darüber, was sie wohl in Independence und später auf dem Treck erwarten würde. Angesichts des großen Abenteuers, auf das sie sich begeben wollten, waren alle vier aufgeregt und nervös. Doch die Hoffnung, die nötige Ausrüstung irgendwie zusammenzubekommen, Mitte April mit Nathan Palmers Wagenzug gen Westen aufzubrechen und irgendwo auf der anderen Seite des Kontinents ein Stück Land in Besitz nehmen und sich eine neue Existenz aufbauen zu können, überwog und stimmte sie zuversichtlich. Wie lange träumten sie nun schon davon! Seit sie von zu Hause aufgebrochen waren, waren sie ihrem Ziel nicht so nahe gewesen wie jetzt.
Die Selkirk dampfte mit monoton ratternden Schaufelrädern durch die Nacht und nach und nach verstummten die Gespräche an Deck. Auch Éanna und ihre Freunde gaben bald der Müdigkeit nach, die sich bleiern auf ihre Lider senkte. Als sie sich schlafen legten, breitete Brendan eine alte raue Decke über Éanna aus, schlüpfte ebenfalls darunter und schmiegte sich an sie. Von der anderen Seite des Ballens, wo Emily und Liam sich ihr Nachtlager bereitet hatten, kam leises Kichern und Flüstern.
»Möchte mal wissen, was die beiden da unter ihrer Decke so treiben«, raunte Brendan und zog Éanna näher zu sich heran. Seine Finger spielten vorwitzig mit den Knöpfen ihrer Bluse. »Hast du vielleicht eine Ahnung?«
»Brendan! Du bist
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