Verheißenes Land
dann sucht man eben Halt und Geborgenheit, sowie sich einem eine Gelegenheit dazu bietet.«
»Ja, vielleicht, aber das allein kann es doch nicht gewesen sein! Wir haben eine so lange Zeit miteinander verbracht und nicht immer ging es uns schlecht. Es war doch nicht nur Einsamkeit und Verzweiflung, die uns zueinander gebracht haben.«
»Natürlich nicht. Brendan ist ja auch ein toller Kerl. Aber er hat eben Flausen im Kopf, die nicht zu deinen Vorstellungen passen. Und du hast dich geweigert, das zu erkennen, weil du dich ihm gegenüber in gewisser Weise verpflichtet gefühlt hast. Er hat dir zwei Mal das Leben gerettet und auch sonst alles für dich getan, wenn es dir schlecht ging. So etwas schweißt zusammen.«
»Ach, ich weiß nicht«, murmelte Éanna niedergeschlagen. »Im Augenblick weiß ich überhaupt nicht mehr, was ich denken soll und was richtig und was falsch ist. In mir herrscht ein schreckliches Durcheinander! Und dabei schien doch alles so klar und eindeutig zu sein.«
»Das ist doch nicht verwunderlich, Éanna. Das, was du mit Brendan hattest, streift man nicht so einfach ab, immerhin gab es ja auch viel Gutes und Schönes. Es muss schmerzliche Wunden hinterlassen, wenn man dann auseinandergeht. Aber du weißt so gut wie ich, dass es besser so ist«, versuchte Emily sie zu trösten. »Und es war gut, diesen Schritt schon jetzt zu machen. Denn du hast ja in den letzten Wochen gesehen, dass Brendan ganz andere Vorstellungen von seinem Leben hat als du. Er ist wild entschlossen, mit den Larkin-Brüdern auf die Goldfelder zu ziehen, und nichts wird ihn davon abbringen können. Und da du etwas ganz anderes willst, gibt es einfach keinen Weg, wie ihr zusammen glücklich werden könnt.«
Éanna nickte traurig.
»Ich will nichts Schlechtes über Brendan sagen und er ist wahrlich ein verlässlicher Freund«, fuhr Emily fort. »Aber wenn man sich wirklich aufrichtig liebt, dann hält man zu dem, was man gemeinsam beschlossen hat, und ändert nicht einfach seine Pläne über den Kopf des anderen hinweg. Und das hat Brendan getan. Die Goldfelder scheinen ihm wichtiger zu sein als euer alter Traum vom Glück. Also lass ihn in Frieden zu den Goldgräbern ziehen und sei dankbar, dass du früh genug eingesehen hast, dass eure gemeinsame Zeit vorbei ist. Eure Wege müssen sich hier im Westen einfach trennen, wenn ihr beide euer Glück finden wollt.«
Die Gespräche mit ihrer Freundin halfen Éanna, über den ersten Schmerz hinwegzukommen. Und sie rechnete es ihr hoch an, dass sie die Rede dabei nicht auf Patrick brachte. Dabei wusste Emily ganz genau, wie sehr sich ihre Gedanken und Gefühle mit der Frage beschäftigten, was Patrick ihr bedeutete.
In den ersten Tagen fühlte sie sich elend und schuldbewusst, dass sie Brendan nach allem, was hinter ihnen lag, dermaßen enttäuscht hatte. Obwohl sowohl Verstand als auch Herz ihr sagten, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte und dass sie in ihrem Innersten schon lange gewusst hatte, dass es so kommen würde, kam es ihr so vor, als hätte sie ihn verraten.
Doch mit der Zeit überwog die Erleichterung und mit jedem Tag hatte sie den Eindruck, freier atmen zu können. Éanna genoss es, auf niemanden Rücksicht nehmen zu müssen und nur sich selbst Rechenschaft schuldig zu sein. Und Brendan schien es ähnlich zu gehen. Die beiden konnten nun sogar freundlicher miteinander umgehen als in den letzten Wochen ihrer Beziehung.
Doch Ruhe war in Éannas Innerem noch lange nicht eingekehrt, denn allmählich brach die Sehnsucht nach Patrick mit aller Macht hervor. Sie hatte sie so lange mühsam unterdrückt, dass es nun war, als hätte sich das Ventil eines Kessels geöffnet, dessen brodelnder Inhalt unter einem immer größer werdenden Druck gestanden hatte.
Sie begriff, dass sie schon in Dublin ihr Herz rettungslos an ihn verloren hatte, als er sie geküsst hatte und sie völlig in diesem Kuss versunken war. Aber sie hatte es nicht wahrhaben wollen und geglaubt, als mittelloses Bauernmädchen der Liebe eines Mannes von Stand und Bildung nicht würdig zu sein. Außerdem hatte sie Zweifel gehabt, ob er ihrer nicht vielleicht doch rasch überdrüssig werden würde.
Nun aber wurde ihr bewusst, dass ihre Liebe zu ihm von Anfang an tiefer und stärker gewesen war als alles, was sie jemals für Brendan empfunden hatte. Sie schämte sich, dass sie ihren Teil dazu beigetragen hatte, dass sie und Brendan sich so lange gequält hatten. Und sie bedauerte ihre Blindheit
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