Verheißenes Land
hochgewachsener Mann um die vierzig, hatte mit seinen Ordensbrüdern im Innenhof einen provisorischen Altar hergerichtet. Ein weißes Tuch bedeckte den Tisch, den man aus einer der Soldatenbaracken herbeigeschafft hatte, und darauf stand ein mit Goldfarbe bemaltes Tischkruzifix, das zu beiden Seiten von Heiligenbildnissen eingerahmt wurde.
Es war eine höchst feierliche Zeremonie, die der Pater unter einem klaren, strahlend blauen Himmel gestaltete. Er hielt eine kurze, aber ergreifende Predigt und stimmte mehrere bekannte Kirchenlieder an, in die fast jeder der Anwesenden einstimmen konnte. In den verschiedensten Sprachen schallte der kräftige Chor weit in das Land und zu den nahen Bergen hinaus.
Fast noch weiter drangen der Applaus und die Hochrufe, nachdem sich die beiden Paare die provisorischen Eheringe, die von einigen Männern aus einem Stück Hickoryholz geschnitzt worden waren, an die Finger gesteckt, einen scheuen Kuss getauscht und vom Pater den Schlusssegen erhalten hatten. In diesem überschwänglichen Jubel schwang die Freude darüber mit, dass nun endlich das große Fest begann und all die vorbereiteten Köstlichkeiten auf die vom Fort geborgten Tische kommen würden.
Doch vorher setzte ein wildes Gedränge ein, denn jeder wollte zu den beiden jungen Ehepaaren, um sie zu beglückwünschen und einen Kuss auf die Wangen von Emily und Rebecca zu drücken. Éanna durfte die Erste sein, die ihre Freundin und Liam umarmte und ihnen alles Glück der Welt wünschte.
Brendan sah dem fröhlichen Treiben aus einiger Entfernung zu und machte eine Miene, als wäre er Zeuge einer Beerdigung. Doch er wartete, bis Éanna aus dem Hof trat, und ging zusammen mit ihr zurück zum Wagen. Als sie durch das Tor schritten, kam ihnen ein stattlicher junger Siouxkrieger entgegen, der sein Pony am Zügel hinter sich herführte. Die beiden kümmerten sich gar nicht weiter um ihn, doch dann geschah plötzlich etwas höchst Verwunderliches.
Der Indianer sprach Brendan unvermutet an und fragte in gebrochenem Englisch: »Ist weißer Mann Bruder von schöner Schwester oder wärmt sie als Squaw das Lager seines Wigwams?«
Verblüfft blieb Brendan stehen und lachte dann spöttisch auf. »Das hast du gut getroffen, Rothaut! Bruder und Schwester, das trifft den Nagel allmählich wirklich auf den Kopf.« Damit wandte er sich Éanna zu und fragte bissig: »Oder siehst du das anders?«
Éanna traf sein ätzender Spott, doch sie war fest entschlossen, sich nicht auch noch an Emilys Hochzeitstag mit ihm zu streiten. Deshalb zuckte sie nur die Achsel und ging einfach weiter. Dabei hörte sie, wie der Siouxkrieger Brendan aufforderte: »Gebt mir Schwester zur Squaw, weißer Mann. Sagt mir, wie viele Pferde Bleichgesicht für Blume der Prärie will!«
Worauf Brendan schnaubte und freudlos erwiderte: »Hab mal gedacht, dass sie nicht mit Gold aufzuwiegen ist. Aber neuerdings denke ich, dass sechs gute Pferde kein schlechter Preis für sie wären.« Dann ließ er den Sioux stehen und stampfte mit düsterer Miene hinter Éanna her. Allerdings war er klug genug, sie nicht einholen und mit ihr reden zu wollen, denn sogar in seinem eigenen Ärger konnte er sich denken, dass sie nach seiner Bemerkung mit den sechs Pferden alles andere als gut auf ihn zu sprechen war. Tatsächlich hätte Éanna ihm am liebsten gehörig die Meinung gesagt. Aber um sich das Fest nicht zu verderben, schwieg sie. Es gelang ihr tatsächlich recht gut, ihren Zorn zu unterdrücken, doch als bei Einbruch der Dunkelheit zum Square Dance aufgespielt wurde, gab sie acht, nicht Brendan als Partner zu erwischen.
Gegen Mitternacht wurde es allmählich Zeit, sich schlafen zu legen. Hierfür hatten sich die übrigen Overlander eine Überraschung ausgedacht, die die Frischvermählten rührte und zugleich in Verlegenheit stürzte. Denn eine Gruppe von Frauen hatte zwei Prärieschoner ausgeräumt, in jedem ein weiches Bett hergerichtet und die Bögen über den Einstiegen mit Bändern und einem Geflecht aus Grün und Wildblumen geschmückt.
»Los, hinein mit euch! Die Nacht wird kühl hier oben, also wärmt euch schön aneinander«, riefen die Gäste ausgelassen und hoben sie unter vielerlei Gelächter in die Prärieschoner.
Daraufhin wurden die Wagen von den Männern hinaus auf die Prärie geschoben und dort mit einigem Abstand zueinander abgestellt.
»Eine Hochzeitsnacht unter dem funkelnden Sternenhimmel der Prärie, das hätten wir auch haben können«, sagte Brendan
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