Verheißenes Land
wieder griff einer nach der Hand des anderen. Und abends am Lagerfeuer wagte Patrick es sogar, den Arm um Éanna zu legen und ihr einen Kuss aufs Haar zu drücken.
Emily stupste ihre Freundin an und flüsterte ihr ein verschmitztes »Na endlich!« ins Ohr. Sogar Brendan konnte sich dem offenkundigen Glück der beiden nicht verweigern. Ein frohes und dankbares Lächeln zog sich über Éannas Gesicht, als Brendan sie beiseitezog und leise zu ihr sagte: »Er hat dich wohl verdient, Éanna. Ich hoffe, du wirst mit ihm das Glück finden, das ich dir nicht geben konnte.«
Vierunddreißigstes Kapitel
Es war ein heißer Tag in der letzten Juliwoche, als sie endlich den Ort am Snake River erreichten, wo sich der Trail in einen südwestlichen Arm nach Kalifornien und einen nordwestlichen nach Oregon gabelte. Hinter ihnen lagen die majestätischen Rocky Mountains. Seit sie dort die Wasserscheide passiert hatten, flossen alle Wasserläufe nicht mehr nach Osten, sondern strebten dem noch immer so fernen Pazifik entgegen.
Hier teilte sich der Treck in zwei Gruppen und es hieß von manch lieb gewonnenen Begleitern Abschied nehmen. Etwa ein Drittel ihres Wagenzuges wollte nach Kalifornien zu den Goldfeldern oder zum Siedeln weiter hinunter ins Sacramento-Tal. Das Ziel der anderen war Oregon, wo vor allem das fruchtbare Tal des Willamette River die Siedler lockte. Das Lebewohl fiel selbst jenen nicht leicht, die bei Antritt der Reise Fremde gewesen oder unterwegs nicht immer gut miteinander ausgekommen waren. Gute drei Monate waren sie gemeinsam über den Trail gezogen und die Strapazen und Gefahren, die sie in dieser Zeit geteilt hatten, hatte sie stärker zu einer Schicksalsgemeinschaft verschmolzen, als manch einer für möglich gehalten hätte.
»Schade, dass Ihr nicht mit uns nach Oregon kommen wollt«, bedauerte Éanna, als sie sich von Winston Talbot verabschiedete. Sie hatte den schmächtigen Mann, der so viel Geduld und Freundlichkeit gezeigt hatte, fest in ihr Herz geschlossen. »Ich hätte Euch so gern in unserer Nähe gewusst.«
Er lächelte wehmütig. »Das hätte auch ich gern gesehen, Éanna. Aber ich bin nun wahrlich nicht zum Roden von Land und Zersägen von Baumstämmen geschaffen. Da bin ich doch besser in einem der großen Orte wie Sacramento oder San Francisco aufgehoben«, erwiderte er. »Vielleicht treibt es mich ja sogar noch weiter nach Süden. Nun, ich werde mich überraschen lassen, wohin es mich letztlich verschlägt. Hier, nimm das. Es ist ein kleines Dankeschön für deine Großherzigkeit und alles, was du für mich und Alexander in den letzten Monaten getan hast.« Damit drückte er ihr eine kleine verkratzte Blechschachtel in die Hand, die sich recht schwer anfühlte. Éanna musste ihre Tränen unterdrücken, als sie sah, dass er mit reizender Unbeholfenheit ein buntes Schleifenband darumgebunden hatte. »Aber tu mir den Gefallen, die Schachtel erst zu öffnen, wenn du in Oregon eingetroffen bist. Es hat mit meinem Geschenk nämlich eine ganz besondere Bewandtnis und es wäre schade, wenn du dir die Überraschung durch den falschen Augenblick verdirbst.«
Éanna war gerührt und versprach, sein Geschenk nicht eher zu öffnen. »Wenn ich doch nur auch etwas hätte, das ich Euch mitgeben könnte!«
»Ach was, du hast mir schon so viel Gutes getan! Und nun gehab dich wohl, tapferes Mädchen. Ich glaube, da will noch jemand Abschied von dir nehmen«, sagte er und umarmte sie linkisch. Dabei flüsterte er ihr noch ins Ohr: »Dir und deinem prächtigen Gefährten alles Glück der Welt! Ich bin sicher, dass du es nicht bereuen wirst, ihm dein Herz geschenkt zu haben.« Er lächelte ihr noch einmal zu und kehrte dann zu seinem Wagen zurück, wo Alexander schon auf ihn wartete.
Éanna wandte sich um, um zu sehen, wer da noch mit ihr sprechen wollte. Hinter ihr stand Brendan, der sich schon von Liam und Emily verabschiedet hatte und der nun zu ihr trat. »Tja, jetzt ist es also so weit, einander Ade zu sagen, Éanna. Und der Teufel soll mich holen, wenn mir das leichtfällt.« Er grinste verlegen. »Denn eigentlich hatte ich mir das mit uns beiden ganz anders vorgestellt.«
»Ja, ich wohl auch«, sagte sie mit einem wehmütigen Lächeln. »Es tut mir leid, dass ich dir so wehgetan habe. Ich habe wohl vieles falsch gemacht und wünschte …«
Schnell fiel er ihr ins Wort. »Wir beide haben viel falsch gemacht, Éanna. Vielleicht sollte es auch einfach nicht sein. Wir hatten unsere Zeit und die ist nun
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