Verheißung Der Nacht
ihn eingeladen, zweifellos, aber die Frage war, wer? Und warum?
Reid stand unter einer ausladenden Eiche und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Stamm. Ein Strahl Sonnenlicht fiel durch die Blätter des Baumes, ließ einige Strähnen seines Haares in einem dunklen Gold aufleuchten und gab seinen Augen ein strahlendes Blau. Seine Haltung war lässig und entspannt, eine Hand hatte er in die Hosentasche geschoben. Er sah aus, als fühle er sich hier zu Hause, mühelos passte er sich den anderen Menschen um ihn herum an in seiner hellbraunen Hose und dem gelben Hemd, dessen Ärmel er bis zu den Ellbogen aufgerollt hatte. Als ihre Blicke sich trafen, glaubte Cammie Herausforderung in seinen Augen zu lesen.
Das Familientreffen, soviel sah Cammie gleich auf den ersten Blick, würde nicht so fröhlich werden, wie sie es erwartet hatte.
Keith grüßte sie mit einer spöttischen Verbeugung, als er sie sah. Er verließ den Mann, mit dem er sich unterhalten hatte, und kam zu ihr hinüber. »Dieses Kleid habe ich schon immer sehr an dir gemocht«, meinte er.
Sie trug ein b Lass rosa Hemdblusenkleid mit einem gestreiften Gürtel in Rosa, Grün und Aquamarin und dazu passende Espandrillos. Erst einen Monat zuvor hatte sie alles zusammen gekauft, und soweit sie wusste , hatte Keith sie noch nie damit gesehen. Sie wandte sich von ihm ab, öffnete die rückwärtige Tür ihres Wagens und holte den gebackenen Schinken heraus, den sie mitgebracht hatte. Über ihre Schultern hinweg fragte sie ihn, nicht gerade freundlich: »Was tust du hier?«
Sein Lächeln verschwand, er presste die Lippen zusammen. »Ich schütze meine Interessen.«
»Und was willst du damit sagen?«
»Ich habe Wen getroffen, in der Dairy Queen. Sie sagte, sie hätte Sayers eingeladen. Da schien es mir ganz angebracht, auch hier zu erscheinen.«
Cammie warf ihm einen vernichtenden Blick zu, dann reichte sie ihm den Schinken. »Du bist sicher der letzte, der herausgefunden hat, dass Reid und ich in der Sache mit der Papierfabrik auf entgegengesetzten Seiten kämpfen.«
Er lachte einmal kurz auf. »Ich habe es gehört, aber ich wollte es mit eigenen Augen sehen. Was hat er denn falsch gemacht?«
»Überhaupt nichts.«
»Was du nicht sagst. Dann hast du also etwas gegen Schweden?«
»Es ist die Expansion, die mich stört, nicht etwa, wem die Papierfabrik gehört. Mir wäre lieber, die Firmenpolitik würde im Sinne von Reids Vater weitergeführt.«
»Rontrolle der Umweltverschmutzung? Überprüfung der
Emissionen? Umweltschützer in die Wälder schicken, um herauszufinden, wo die Spechte nisten? Ganze Teile des Landes absperren, bis die Brutzeit vorüber ist?«
»All das hat er getan?« Sie hielt inne und holte den Kokoskuchen aus dem Wagen, den sie als Beitrag zu dem Fest beisteuern wollte.
»Sicher.« Keith zuckte mit den Schultern. »Die Fabrikarbeiter und die Holztransporteure dachten, er sei verrückt, aber er war immerhin der Boss .«
»Das wusste ich gar nicht.« Sie blickte zu Reid hinüber. Er beobachtete sie, wie sie feststellte, obwohl er schnell wegsah, als er bemerkte, dass sie in seine Richtung blickte.
»Es gibt da eine ganze Menge Dinge, die du nicht weißt«, antwortete Reith.
»Ich bin gar nicht sicher, ob ich sie überhaupt wissen will«, entgegnete sie heftig. Sie sah, dass Wen in ihrem Wagen auf der anderen Seite des Parkplatzes parkte, und winkte ihrer Cousine zu, doch sie ging nicht zu ihr hinüber. Statt dessen nahm sie Reith den Schinken wieder aus der Hand und ließ ihn dann einfach stehen, als sie zu den Tischen hinüberging, wo die Speisen aufgebaut worden waren.
Es war ein wunderschöner Tag, die Sonne schien, der leichte Wind war warm, und das Gras war so strahlend grün, dass es in den Augen schmerzte. Rinder spielten auf den alten Schaukeln, die älteren Frauen saßen in Gartenstühlen im Pavillon, erzählten einander die neuesten Neuigkeiten und sprachen über den Stammbaum der Familie, die älteren Männer standen in Gruppen zusammen und sprachen über Politik und Sport. Das Essen stand im Schatten, auf langen schmalen Tischen. Die Platten, Schüsseln und Tabletts bedeckten jeden Zentimeter der Tische, dazwischen standen Krüge mit Tee und Fruchtpunsch und genug Teller und Becher, um eine ganze Armee zu versorgen. Der Duft, der von den vielen Speisen aufstieg, lag warm und köstlich in der Luft.
Cammie fand einen Platz, an dem sie ihren Beitrag zu den
Köstlichkeiten unterbringen konnte. Als sie ihre Lieblingstante
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