Verheißung Der Nacht
großen Schwester. Hat er dich sitzenlassen?«
Cammie legte eine Hand an die Stirn, weil ihr Kopf zu schmerzen begann. »Ist es wirklich so, dass alle glauben, es ginge hier nur darum, dass ich mich an ihm rächen will?«
»Das habe ich nicht gesagt, mein Schatz«, widersprach Wen und legte ermutigend eine Hand auf Cammies Arm. »Soweit ich weiß, hat dieser Mann dich ausgenutzt, und du bist viel zu nett, um dich auf andere Weise an ihm zu rächen.«
»O Gott!« stöhnte Cammie, als ihr klar wurde, wie die Leute in der Stadt ihre Aktion einschätzten. »Aber so war es doch gar nicht. Warum, um alles in der Welt, können sich die Menschen nicht um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern?«
»Schon gut, ich verstehe, was du mir damit sagen willst.« Wen tat so, als sei sie gekränkt. »Wir wechseln also besser das Thema. Ich wollte sowieso mit dir reden wegen dieser Versammlung und der Presse und alldem. Ich bin dir wirklich böse, dass du nicht gewartet hast, bis ich zurück war, um dir zu helfen.«
Wen war ein paar Tage nicht in der Stadt gewesen, sie war auf einer ihrer üblichen Reisen zu einer Ausstellung für antiken Schmuck, um dort einzukaufen und zu verkaufen und so ihre persönlichen Einkünfte aufzubessern. Cammie betrachtete aufmerksam das Gesicht ihres Gegenübers, um festzustellen, ob ihre Worte ernst gemeint waren oder ob sie einen Spaß gemacht hatte. »Ich hätte sicher auf dich gewartet, wenn ich gewusst hätte, dass dich das wirklich interessiert.«
»Ich interessiere mich für alles, das weißt du doch. Nichts freut mich so sehr, als wenn ich jemandem Schwierigkeiten machen kann. Wie ich höre, hast du einen ziemlichen Wirbel veranstaltet.«
»Habe ich das?« Der Kaffee schmeckte plötzlich bitter. Cammie sah sich nach einem Platz um, an dem sie ihre Tasse abstellen konnte.
Wen nahm ihr die Tasse aus der Hand und stellte sie einfach auf den nächsten Stuhl. »Die Stadtväter machen sich in die Hose, mein Schatz, weil sie fürchten, dass du das Geschäft verhindern wirst, das ihnen allen ein hübsches Sümmchen einbringen wird. Sie sehen sich schon die Schecks für all die Extrasteuern kassieren, die die Firma zahlen muss , wenn sie expandieren will. Erst gestern habe ich gehört, wie einer von ihnen dich eine verrückte Kuh genannt hat. Das bedeutet, sie haben Angst.«
»Vor mir?«
»Warum nicht? Du hast doch alles: Geld, Verbindungen, Herkunft, Aussehen. Teufel, du könntest für das Amt des Bürgermeisters kandidieren und würdest wahrscheinlich sogar gewählt.«
»Ich will aber gar nicht Bürgermeister werden.«
»Aber ich, doch das tut jetzt nichts zur Sache. Eigentlich bin ich wegen dieser ganzen Sache noch immer geteilter Meinung. Auf der einen Seite denke ich, es wäre gut, wenn Greenley nicht zu groß würde, denn in einem solchen Fall gibt es immer einen Mann, der glaubt, er müsse der Boß sein. Wenn der Ort klein bleibt, dann denken die Männer, es sei die Sache nicht wert, und ich hätte die Möglichkeit, Bürgermeister zu werden.«
»Ich versuche doch gar nicht, Greenley klein zu halten«, widersprach Cammie mit gerunzelter Stirn.
»Nicht? Aber das wird passieren, wenn du mit deiner Aktion Erfolg hast.«
»Außerdem«, sprach Cammie weiter, »brauchst du doch gar nicht darauf zu warten, bis sich kein Mann mehr für das Bürgermeisteramt meldet. Meine Stimme bekommst du jeden Tag.«
Wen lächelte schwach. »Na ja, wenigstens wäre es mir lieber, wenn du mir deine Stimme gibst, als dass du sie an diese Spechtsache verschwendest.«
»Verstehe«, sagte Cammie langsam. »All das war also nur deine Art, mir zu sagen, ich solle meine Energien besser anderweitig einsetzen.«
Wen seufzte, und es klang beinahe so, als würde eine
Dampfmaschine abgestellt. »Siehst du, meine Süße, je größer die Papierfabrik wird, desto größer wird die Stadt. Je größer die Stadt wird, desto größer wird das Pine Tree Festival. Je größer das Festival wird, desto größer werde ich - nun ja, dick genug bin ich ja schon, aber du weißt, was ich meine. Ich möchte ganz sicher Bürgermeister werden, aber Bürgermeister von etwas, nicht Bürgermeister von nichts. Und das wird Greenley sein, wenn wir nicht aufpassen.«
»Und wenn Greenley nun zu einem Ort wird, in dem niemand mehr leben kann?« Cammies Stimme klang gepreßt. Sie Hass te es, bevormundet zu werden, ganz besonders von einem Menschen, von dem sie erwartet hatte, dass er sie verstand.
»Greenley wird schon überleben.«
»Nichts
Weitere Kostenlose Bücher