Verheißung Der Nacht
gewesen wäre, wenn noch andere Menschen mit ihr zusammen gegen den Verkauf der Fabrik protestiert hätten. Es war ein ernüchternder Gedanke.
»Es gibt da noch einen anderen Gesichtspunkt«, meinte Janet Baylor. »Er ist mir erst gestern abend eingefallen - und das war ein wesentlicher Grund mehr, warum ich mich entschieden habe, heute morgen zu Ihnen zu kommen. Wenn Ihnen das Land wirklich gehört und wenn Sie wirklich der einzige Erbe sind, dann hätten Sie all die Jahre das Geld für die Pacht bekommen müssen. Die Jahrespacht, die Justin Sayers festgelegt hat, ist zwar nicht sehr hoch, nur ein Dollar pro Morgen und Jahr. Aber wenn man das für den Zeitraum von über hundert Jahren zusammenrechnet und mit einem durchschnittlichen Zinssatz verzinst - wie ein Gericht es wahrscheinlich nach einem Rechtsstreit festlegen würde -, dann ergibt es schon eine beträchtliche Summe. Das ist die Summe, die die Besitzer der Papierfabrik Ihnen schulden würden, ob Sie sich nun zum Verkauf entschließen würden oder nicht.«
Cammie starrte die andere Frau an, während ihre Worte in ihrem Kopf Form annahmen, zusammen mit einem wachsenden Mißtrauen. Sie zögerte, dann begann sie vorsichtig: »Ich glaube, Sie haben gesagt, dass Sie das alles vor ein paar Wochen herausgefunden haben. Ist das Ergebnis Ihrer Nachforschungen weitergegeben worden an denjenigen aus der Papierfabrik, der um diese Untersuchung gebeten hat?«
»Ja, natürlich.«
»Und würden Sie mir vielleicht sagen - wenn Sie das überhaupt wissen -, wer es war, der sich mit Lane, Endicott und Lane in Verbindung gesetzt hat?«
Wieder nickte Janet Baylor. »Soweit ich das weiß, kam die Anfrage von Gordon Hutton.«
Cammie hatte gar nicht gewusst , dass sie die Luft angehalten hatte, ehe sie sie mit einem leisen Seufzer wieder ausstieß. Reid war kaum lange genug zu Hause gewesen, um diese Nachforschungen in Auftrag zu geben, aber es wäre möglich gewesen, dass sein Vater diesen Auftrag noch erteilt hatte. In diesem Fall hätte er wahrscheinlich vom Ergebnis der Nachforschungen gewusst . Wenn Gordon allerdings dahintersteckte, war es ganz gut möglich, dass er keine Ahnung hatte.
Es gab jedoch einen Menschen, der ganz sicher davon wusste . Und dieser Mensch war ihr Exmann.
Verachtung stieg in Cammie auf. Der Grund für Reiths plötzliches Interesse daran, die Scheidung zu annullieren und seinen Platz als ihr Ehemann wieder einzunehmen, war jetzt offensichtlich. Die Eigentumsgesetze im Staate Louisiana besagten, dass die Hälfte des in der Ehe hinzugewonnenen Vermögens gesetzlich dem Ehepartner gehörten. Wenn die Fabrik verkauft wurde und das Gericht ihr die Besitzrechte übertrug, dann würde die Hälfte des Geldes ihm gehören. Selbst wenn der Verkauf nicht zustande kam, würde Reith immer noch seinen Anteil an der riesigen Summe bekommen, die sich aus dem alten Pachtvertrag ergab.
Wenn die Scheidung jedoch rechtskräftig würde, ehe alles gerichtlich geregelt war, dann würde ihm dieser honigsüße Segen entgehen. Er würde gar nichts bekommen. Überhaupt nichts.
Dafür werde ich schon sorgen, dachte Cammie, dass er genau das bekommt, was er verdient hat.
Doch dann konzentrierte sie ihre Gedanken wieder auf die Frau, die neben ihr saß. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen dafür bin, dass Sie zu mir gekommen sind. Aber ich hoffe, Sie werden deshalb keine Schwierigkeiten bekommen, oder?«
Janet Baylor preßte die Lippen zusammen, ehe sie antwortete. »Das weiß ich noch nicht so genau. Ich denke, Sie werden das, was ich Ihnen gesagt habe, benutzen wollen, denn sonst hätte es ja keinen Sinn. Aber wenn Sie das tun, könnten Sie dann vielleicht... vergessen, dass ich es war, der Ihnen die Informationen geliefert hat?«
»Ich bin ganz sicher, dass ich das könnte«, stimmte Cammie ihr zu und legte ihre Hand auf die der Frau.
Sie lächelten einander verständnisvoll an.
Am späten Nachmittag des nächsten Tages entschied Cammie sich, mit Reid zu sprechen. Sie hatte mehr als vierundzwanzig Stunden über das nachgedacht, was sie erfahren hatte. Doch je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr Aspekte waren zu bedenken, desto mehr Möglichkeiten und unbeantwortete Fragen gab es. Sie war es müde, weiterhin völlig nutzlose Gedankengänge zu verfolgen. Noch weniger gefielen ihr die Zweifel, die sie dabei überkamen.
Abgesehen davon war der neue Aspekt, den der Streit zwischen ihr und Reid bekommen hatte, nicht das einzige, was sie
Weitere Kostenlose Bücher