Verheißung des Glücks
Mutter wohnt doch aber noch in der Gegend, oder?«
»Ja, aber ich selbst lebe nicht hier. Nach dem Tod meines Vaters wurde ich zu meinem Onkel geschickt. Mein jetziges Zuhause ist in England und bei seiner Familie.«
»Und warum haben Sie den Namen Ihres Vaters abgelegt?«, wollte Lachlan wissen.
»Das habe ich nicht und ich täte es auch nie. Mein voller Name lautet Lincoln Ross Burnett. Mein Onkel wollte seinen Titel und den Familiennamen erhalten. Und da er selbst keinen männlichen Nachkommen hat, gab er mir seinen Nachnamen und auch der Titel ging an mich über. Ich bin der siebzehnte Viscount von Cambuiy.«
»Mich überrascht ein wenig, dass Sie weder wie ein Schotte aussehen noch wie einer sprechen.«
Lincoln lächelte schief. »Ich habe die letzten neunzehn Jahre in England verbracht und bin dort auch zur Schule gegangen. Es war der ganze Ehrgeiz meiner Lehrer, den schottischen Akzent aus mir heraus zu prügeln.«
»Erstaunlich, wie gut ihnen das gelungen ist. Aber ich glaube, wenn man lang genug unter den Engländern lebt, wird man am Ende vielleicht tatsächlich einer von ihnen.«
»Sie haben doch sicher nichts gegen die Engländer im Allgemeinen, oder?«, fragte Lincoln vorsichtig.
Lachlan grinste gutmütig. »Meine Frau ist Engländerin, mein Junge. Meine Tante stammte ebenfalls aus England. Und einige meiner besten Freunde leben dort. Das Einzige, was mich an England wirklich stört, ist, dass es dort so überfüllt ist. Zu viele Menschen auf zu engem Raum. Ein Mann von meiner Statur zieht unter solchen Umständen ziemlich viel Aufmerksamkeit auf sich. Manchmal fühle ich mich wegen meiner Größe schon ein wenig sonderbar. Das muss ich zugeben.«
Lincoln nickte verständnisvoll. Auch er selbst ragte oft um eine halbe Haupteslänge aus den verschiedensten Menschenansammlungen heraus. Deshalb trauerte er auch seinem Akzent nicht besonders nach. Als Junge wegen seiner Größe und dann auch noch wegen seiner Aussprache aufzufallen, war nicht immer einfach gewesen. Man fühlte sich schnell als Außenseiter und andere Kinder nahmen gewisse Unsicherheiten gerne zum An-lass für Hänseleien. Erst als er nach ein paar Jahren gesprochen hatte wie ein Engländer, hatten sie ihn in Ruhe gelassen.
Doch diese alten Geschichten waren längst Vergangenheit. Nun wollte er nach vorn blicken. Er nahm sein Herz in beide Hände und fragte: »Darf ich Sie also um Ihre Erlaubnis bitten, Melissa den Hof zu machen?«
»Ich habe nichts dagegen. Und ich bin auch nicht gegen eine Heirat, falls meine Tochter von Ihnen genauso angetan ist wie Sie von ihr. Melissas Mutter und ich wünschen ihr alles Glück der Welt. Ich will zugeben, dass wir die Hoffnung hegten, sie würde einen Mann aus der näheren Umgebung heiraten. Aber bisher fand sich noch kein passender Kandidat.«
Lincoln lächelte erleichtert. »Erlauben Sie, dass ich nun zu ihr gehe? Ich werde ihr auch bestimmt keinen Heiratsantrag machen — noch nicht.«
Lachlan seufzte. »Ich fürchte, Sie haben Melissa verpasst. Sie kam heute Morgen zurück, aber ihre Mutter schleppte sie gleich davon, um noch ein paar dringende Einkäufe zu erledigen, bevor Melissa morgen nach London fährt.«
»Sie fährt nach London?«
»Ja, sie bleibt die ganze Saison über dort. Wir gingen davon aus, dass sie in London einen Bräutigam findet. Wenn Sie ihr also den Hof machen wollen, werden Sie es dort tun müssen. Stellt das ein Problem für Sie dar?«
»Im Gegenteil. Das trifft sich hervorragend. Denn mir fällt die ehrenvolle Aufgabe zu, meine Kusine zu begleiten, die in dieser Saison ebenfalls in London debütiert.«
»Wunderbar! Dann wünsche ich Ihnen viel Glück bei Ihrem Vorhaben, mein Junge — wobei ich eigentlich nicht glaube, dass Sie es brauchen werden.«
Achtes Kapitel
Melissa war enttäuscht, dass sie Lincoln Burnett verpasst hatte. Doch viel Zeit, darüber nachzudenken, blieb ihr nicht, denn es gab vor ihrer Abreise nach London noch einiges zu erledigen. Außerdem tröstete ihr Vater sie damit, dass sie den siebzehnten Viscount von Cambuiy — den Titel betonte er mit einem Augenzwinkern — bald in London wiedersehen würde.
Eigentlich wollte Melissa von ihrem Vater jedes Wort hören, das Lincoln mit ihm gesprochen hatte, doch die Zeit drängte und sie kam nicht dazu, ihn ausführlich nach ihrem Verehrer auszufragen. Sie fand das nicht weiter schlimm, denn wenn Lincoln genau wie sie die Saison in London verbrachte, konnte sie ihm ihre Fragen selbst stellen,
Weitere Kostenlose Bücher