Verhext in Texas: Roman (German Edition)
den letzten Halt in der nichtmagischen Welt zu verlieren schien. Meine Familie sollte mich doch erden und nicht noch verrückter sein, als meine ehemalige Arbeitswelt es gewesen war. Konnte ich nicht ein kleines bisschen besonders sein, ohne gleich wieder von meinen älteren Brüdern überflügelt zu werden?
Ich fuhr schnurstracks zum Motel. Nita gehörte zu den wenigen Menschen, mit denen ich reden konnte und die absolut nichts mit der magischen Welt zu schaffen hatten. Aber wenn das so weiterging, würde ich sicherlich bald herausfinden, dass sie von einem anderen Planeten stammte oder in Wahrheit Wonder Woman war und sich nur hinter einer harmlosen Tarnung versteckte. »Ach, du lieber Himmel, was ist passiert?«, rief sie, als ich die Motellobby betrat. Und ohne meine Antwort abzuwarten, fügte sie hinzu: »Ich koche uns einen Tee.«
»Nichts ist passiert. Warum? Sehe ich so aus?«, fragte ich, als sie die Absperrung an der Rezeption hochklappte, damit ich auf die andere Seite des Tresens gelangen konnte.
Sie stellte den Wasserkocher an. »Er hat Schluss gemacht, stimmt’s?« Ihre Stimme klang tränenerstickt vor Mitgefühl. »Oh, Katie!«
Ich wich ihrer Umarmung aus. »Schluss gemacht? Wir sind ja nicht mal richtig zusammen. Auch als ich noch in New York war, waren wir kaum so was wie ein Paar, und ich hab die Sache beendet, bevor ich von da weggegangen bin.« Meiner Familie hatte ich zwar etwas anderes erzählt, aber ich ging nicht davon aus, dass Nita sich mit ihnen austauschen würde, und etwas, was der Wahrheit zumindest nahekam, erschien mir in dieser Situation das Beste.
»Was ist dann das Problem? Du bist wie von der Tarantel gestochen hier reingestürzt und siehst aus, als könntest du jeden Moment explodieren.« Sie goss kochendes Wasser über die Teebeutel und drehte sich dann, einen Löffel durch die Luft schwingend, wieder zu mir um. »Setz dich und erzähl mir alles.«
Ich gehorchte ihr, aus Angst, dass sie mich sonst mit dem Löffel schlagen würde. Ihre Aufgedrehtheit entspannte mich merkwürdigerweise. Kurz darauf reichte sie mir einen Becher Gewürztee mit Honig. »Fang am besten ganz vorne an«, sagte sie und setzte sich wieder. »Und lass nichts aus. Ich bin nämlich ohnehin schon sauer, dass du diesen heißen Typen nie erwähnt hast, bevor er hier aufgekreuzt ist.«
Während ich noch darüber nachdachte, wie genau ich erklären konnte, was mich so wütend gemacht hatte, bog ein Auto so schwungvoll in die Moteleinfahrt ein, dass es auf dem Schotter am Straßenrand ein wenig ins Schlingern geriet. Dann hielt es mit quietschenden Reifen unter dem Vordach. Als der Fahrer ausstieg, erkannte ich, dass es sich um einen großen, schlanken Mann handelte. Seine Hosenbeine und Ärmel waren so kurz, dass es aussah, als hätte er gerade einen Wachstumsschub gehabt. Ich wusste sofort, wer er war: Phelan Idris, der schurkenhafte Zauberer, der uns so viel Ärger bereitete, war in die Stadt gekommen.
»Oh, Wahnsinn, ein Gast!«, sagte Nita, während ich vor Schreck meinen Tee verschüttete. »Sonst checkt hier montags nie jemand ein.«
Ich wollte nicht, dass er mich sah. Wenn er nicht ahnte, dass wir von seiner Anwesenheit in der Stadt wussten, verschaffte uns das vielleicht einen klitzekleinen Vorteil. »Oh, mein Tee!«, sagte ich, nahm eine Handvoll Papierservietten von Nitas Tresen und ließ mich auf den Boden nieder, noch bevor die Türglocke ertönte. Während ich halbherzig den verschütteten Tee aufwischte, lauschte ich.
»Hallo! Willkommen im Cobb-Motel!«, rief Nita fröhlich. »Was kann ich für Sie tun?«
»Haben Sie ein Zimmer frei?«, fragte er.
»Für wie lange?«
»Keine Ahnung. Ein paar Tage vielleicht.«
»Okay, Aufenthalt von unbestimmter Dauer. Das geht. Raucher oder Nichtraucher?«
»Raucher.« Seltsam, ich hatte ihn noch nie rauchen sehen. Ich konnte mir allerdings vorstellen, dass er einen Raucherraum wollte, um dort den einen oder anderen Zaubertrank mixen zu können, ohne Verdacht zu erregen.
»Doppelbett oder zwei Einzelbetten?«
»Ich will ein Zimmer, okay? Und kein endloses Frage-und Antwort-Spiel.«
»Ich möchte doch nur, dass Sie das bekommen, was Sie auch wirklich möchten«, erwiderte Nita. Sie klang noch immer äußerst zuvorkommend, aber allmählich mischte sich ein kühler Unterton in ihre Stimme. »Ich gebe Ihnen ein Doppelbett. Wie zahlen Sie?«
»Per Kreditkarte.«
»Prima! Dann brauche ich nur noch Ihren Personalausweis, und das hier füllen Sie bitte
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