Verhext
Ihrer Ermordung erfahren hätten.«
»Ich rate Ihnen, nicht darauf zu wetten. Aber was zum Teufel glaubten Sie herausfinden zu können, indem Sie sich als meine Mätresse ausgaben?«
Iphiginia beugte sich ein wenig vor. Sie sprudelte inzwischen geradezu über vor Begeisterung. »Ich nahm an, daß der Erpresser jemand sein mußte, der Ihnen in irgendeiner Form nahestand, Mylord. Jemand, der ein Geheimnis kennt, das schrecklich genug ist, daß er annahm, Sie würden ihn eher bezahlen, als daß dieses Geheimnis gelüftet würde.«
Marcus zog eine Braue hoch. »Und dieselbe Person war zugleich in ein furchtbares Geheimnis Ihrer Tante eingeweiht. Ist es das, was Sie dachten?«
»Sie sind wirklich ein guter Beobachter, Sir. Genau das nahm ich an. Aber ich würde noch einen Schritt weiter gehen. Wer auch immer derartige Geheimnisse von Ihnen und meiner Tante kannte, muß zugleich gewußt haben, daß Sie die Absicht hatten, diesen Monat die Stadt zu verlassen.« Iphiginia machte eine bedeutungsvolle Pause. »Wissen Sie, die letzte Nachricht des Erpressers kam genau an dem Tag bei meiner Tante an, als Sie verschwanden.«
Marcus spürte, wie die alte, vertraute Neugier in ihm wach wurde und seinen Verstand für einen Augenblick mehr verwirrte, als körperliche Leidenschaft es jemals vermocht hätte. »Sie nehmen also an, daß es nicht allzu viele Personen gibt, die sowohl mich als auch Ihre Tante so gut kennen?«
»Genau.« Iphiginia sah ihn mit unverhohlener Bewunderung an. »Ihr Verstand arbeitet wirklich sehr schnell, Mylord, genau wie ich gedacht hatte.«
Dieses Mal weigerte sich Marcus standhaft, sich von ihrer glühenden Bewunderung seiner Intelligenz verführen zu lassen. Er ließ sich nicht ablenken. »Also sind Sie in die Rolle meiner Geliebten geschlüpft, um Zugang zu meinem Bekanntenkreis zu bekommen.«
»Unter den gegebenen Umständen schien mir das die einzige Möglichkeit zu sein, obgleich ich zugeben muß, daß ich auch etwas Angst vor dieser Herausforderung hatte.«
»Das kann ich kaum glauben, Mrs. Bright«, stellte Marcus trocken fest. »Ich kann mir nur schwer vorstellen, daß Sie sich jemals vor irgendwem oder irgend etwas fürchten.«
»Das passiert auch nicht oft«, gab sie ohne eine Spur von Bescheidenheit zurück. »Aber in diesem Fall wußte ich, daß ich nicht darauf hoffen durfte, den Erwartungen zu entsprechen, die die Leute in mich setzen würden.«
»Erwartungen?«
»Sie wissen ganz genau, was ich meine, Sir. Nach allem, was ich über Sie herausgefunden hatte, wußte ich, daß Ihre bisherigen Mätressen bemerkenswert hübsche Witwen waren, die ein gewisses, sagen wir, Flair hatten.« In Iphiginias Augen blitzte so etwas wie Wehmut auf. »Es heißt, sie seien ausnahmslos strahlende Schönheiten gewesen.«
»Ach ja?«
»Meine Tante Zoe kennt immer den neuesten Klatsch. Es war also nicht besonders schwer, etwas über Ihre bisherigen Mätressen zu erfahren.«
»Diese Art von Klatsch ist geeignet, einem Mann den Schlaf zu rauben.«
Iphiginia sah ihn verlegen an. »Ich war mir nicht sicher, daß ich da mithalten konnte, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Er musterte ihre blütenweiße Aufmachung. Es bestand keinerlei Notwendigkeit, ihr zu erklären, daß die Gerüchteküche sowohl die Zahl seiner Affären als auch die Qualitäten seiner Geliebten immer maßlos übertrieb. »Also haben Sie versucht, eine Illusion zu schaffen, die die Leute überrascht und deshalb vollkommen neue Erwartungen bei ihnen weckt.«
»Ich wollte ein Bild schaffen, das so ungewöhnlich war, daß es Ihre Freunde und Bekannten veranlaßt, ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen, und mich zu einem weitaus geheimnisvolleren und strahlenderen Geschöpf zu machen, als ich es tatsächlich bin.«
»Ich muß Ihnen gratulieren, Mrs. Bright. Das ist Ihnen anscheinend gelungen.«
»Bisher hat mein kleines Betrugsmanöver sehr gut funktioniert«, pflichtete sie ihm voller Stolz bei.
Falls sie versuchte, in irgendeiner Weise bescheiden zu wirken, mißlang ihr dieser Versuch vollkommen, dachte Marcus. »Ich bin wirklich beeindruckt. Ich habe die größte Ehrfurcht vor Ihrem schauspielerischen Talent.«
Die kühle Amüsiertheit in seiner Stimme konnte Iphiginia nicht verborgen bleiben. Ihr kurz aufflackernder Stolz wich sofort einem zerknirschten Gesichtsausdruck. »Mir ist bewußt, daß ich in Ihren Augen eine vollkommene Versagerin in der Rolle Ihrer neuen Mätresse bin.«
»Das würde ich nicht unbedingt sagen.«
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