Verhext
folgte.
Sie waren zu spät gekommen. In den wenigen Minuten, die sie gebraucht hatten, um den Friedhof zu verlassen und zurückzukommen, war es irgend jemandem gelungen, die fünftausend Pfund aus der Gruft zu holen.
Iphiginia starrte in den Nebel, der Mrs. Eatons Grabmal einhüllte. »Er muß uns die ganze Zeit beobachtet haben«, flüsterte sie. »Die ganze Zeit, als ich da drin gesessen habe und beinahe wahnsinnig geworden wäre, hat er hier draußen gewartet.«
»Wahrscheinlich dachte er sich, daß jemand kommen würde, um dich zu retten«, sagte Marcus leise. »Aber woher zum Teufel konnte er das wissen?«
Iphiginia schlang ihren Umhang fester um sich. »Sie haben recht, Mylord. Wer auch immer hinter dieser ganzen Sache steckt, er weiß eindeutig zuviel. Über uns alle.«
Kapitel neun
Marcus lehnte am Kamin in Iphiginias Bibliothek und überlegte, was er als nächstes tun sollte. »Wir werden mit dem Grabmal anfangen. Der Ort wurde offenbar sorgfältig ausgewählt. Vielleicht gibt es eine Verbindung zwischen der Gruft und dem Erpresser.«
»Vielleicht.« Iphiginia stellte ihre Teetasse ab. »Oder er hat das Grabmal deshalb ausgesucht, weil es abgelegen und unheimlich ist und die Nerven desjenigen, der das Geld überbringen sollte, in höchstem Maße strapaziert.« Sie erschauderte. »Also ich zumindest habe mich in der Umgebung bestimmt nicht gerade wohl gefühlt.«
Amelia starrte in das Feuer, das Marcus entfacht hatte. »Wer auch immer hinter der Sache steckt, es macht ihm offenbar Spaß, die Leute in Angst und Schrecken zu versetzen - erst mit Morddrohungen und dann mit Geistern. Aber welche Verbindung sollte es zwischen dem Grabmal dieser Mrs. Eaton und dem Erpresser geben?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Marcus. »Aber es kann nicht schaden, ein paar Nachforschungen in dieser Richtung anzustellen.«
»Das finde ich auch«, sagte Iphiginia leise.
Marcus sah sie an. Der Gedanke, daß jemand Iphiginia heute nacht derart in Furcht versetzt hatte, machte ihm immer noch zu schaffen. Seine Hand ballte sich zur Faust.
Er versuchte jedoch, den Zorn, der in seinem Inneren brannte, zu dämpfen, und die ganze Situation rational, objektiv zu erfassen.
Mit Erleichterung hatte er festgestellt, daß die drei Stunden, die sie ganz allein in der finsteren Gruft hatte verbringen müssen, offensichtlich keine bleibenden Schäden bei ihr hinterlassen hatten. Er kannte keine andere Frau, die ein solches Erlebnis derart schadlos überstanden hätte. Und zugegebenermaßen kaum einen Mann.
Seine angebliche Mätresse hatte wirklich den allergrößten Mut bewiesen. Trotzdem würde er denjenigen, der sie in der Grotte eingeschlossen hatte, nur allzu gerne in die Finger bekommen.
»Was wollen Sie jetzt machen?« fragte Amelia.
Marcus dachte nach. »Zunächst einmal müssen wir versuchen herauszufinden, wer diese Mrs. Eaton war und - was noch wichtiger ist - wer dieses prachtvolle Grabmal für sie hat errichten lassen.«
»Unser Mittelsmann, Mr. Manwaring, kann sich darum kümmern«, schlug Iphiginia vor.
Marcus erinnerte sich an den Mann, dem er gestern vor Iphiginias Tür begegnet war. Manwaring genoß eindeutig viel zu große Freiheiten in ihrem Haus.
»Ich werde meinen eigenen Mittelsmann mit der Angelegenheit betrauen«, sagte er und brach ab, als ihm etwas einfiel. »Verdammt. Das ist nicht möglich. Zumindest im Augenblick.«
»Warum nicht?« fragte Iphiginia.
»Barclay ist im Augenblick, eh, geschäftlich unterwegs.« Marcus trommelte mit den Fingern auf dem Kaminsims herum. Er konnte Iphiginia wohl kaum erklären, daß Barclay in Devon war, um etwas über ihre Vergangenheit herauszufinden. »Aber er wird bald zurück sein, und dann kann er sich um die Sache kümmern.«
»Sind Sie sicher, daß wir nicht doch Mr. Manwaring bitten sollen, etwas zu unternehmen?« wollte Iphiginia wissen. »Er hat wirklich ein Talent dafür, detaillierte Informationen zu beschaffen, nicht wahr, Amelia?«
»Ja«, pflichtete ihre Cousine ihr bei. »Das stimmt.«
»Nein«, sagte Marcus mit grimmiger Miene. »Barclay schafft das schon.« Er blickte zwischen den beiden Frauen hin und her. »Mr. Manwaring arbeitet doch sicher schon seit geraumer Zeit für Sie beide?«
»Seit drei Jahren«, erklärte Iphiginia. »Er ist ein ausgezeichneter Mittelsmann. Warum fragen Sie?«
Marcus zuckte mit den Schultern. »Einfach so. Mir kam nur gerade der Gedanke, daß ein Sekretär natürlich eine ganze Menge über das Leben seiner
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