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Verico Target

Verico Target

Titel: Verico Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Lebensweise, der bevorstehenden Apokalypse,
Heimunterricht für Kinder, der Maschine als Feindbild,
wortwörtlicher Auslegung der Bibel und einer, wie Judy nach den
temperamentvollen Vorträgen ihres Vaters schien, reichlich
passiven, lendenlahmen Auffassung der göttlichen Gnade. Als
äußeres Zeichen trugen die Streiter an ihren Kleidern ein
›B‹.
    Wieso waren also diese verlorenen Lämmchen in irgend etwas
verstrickt, was das FBI interessierte?
    Je mehr Judy erfuhr, desto weniger wußte sie.
    Am Bahnhof, nicht weit von der Hauptstraße entfernt, kaufte
sie Zahnpasta, Zahnbürste und andere Toilettenartikel, Make-up,
Unterwäsche und Socken, während sie sich zwang zu
lächeln, sich zwang, auf das Geschnatter des Mädchens an
der Kassa zu reagieren, sich zwang, das Geld zu zählen und die
Quittung einzustecken. Sich zwang, einen Fuß vor den anderen zu
setzen. Im Globe-Hotel angekommen, wusch sie sich, ehe sie sich
zwang, ins Restaurant – gleichzeitig die Bar –
hinunterzugehen und gebratenen Fisch zu bestellen, den sie nicht
aß.
    Am Nachbartisch nieste jemand – eine Explosion wie ein
Schuß. Judy sah hinüber. Es war eine Frau um die vierzig,
schlank und gut angezogen, die im Speisesaal des Globe-Hotels so
deplaziert wirkte wie eine Gazelle. Ihr gegenüber saß ein
ebenso gut gekleideter, gelangweilt wirkender Mann. Warum waren diese
beiden in einem Ort wie Cadillac? Hatte der Grund dafür etwas
mit ihrer, Judys, Person zu tun?
    Sie starrte den Fisch auf dem Teller an; ihn zu essen war
unmöglich. Eine kalte Hand preßte sich auf ihre Brust und
zerquetschte ihr fast die Rippen. Sie konnte nicht einfach da sitzen
und nichts tun! Sie konnte nicht! Der Drang, etwas zu unternehmen,
irgend etwas zu unternehmen, war so stark wie der Drang zu atmen.
Wenn sie jetzt nicht sofort in Bewegung kam, irgendwohin ging, irgend
etwas tat, dann würde sie augenblicklich tot umfallen!
Und nicht wegen des teuren, gelangweilten Paares am nächsten
Tisch.
    Abrupt stand sie auf, zog ein paar Scheine aus der Tasche und
ließ sie auf dem Tisch zurück, ohne auf die Rechnung zu
warten. Sie bat den Portier mit der Buffalo-Bill-Kappe, der jetzt auf
einen kleinen schwarz-weißen Fernsehschirm hinter dem
Empfangstisch starrte, ihr ein Taxi zu rufen, während sie von
oben ihre Jacke holte.
    Blinzelnd sah er sie an. »Wir haben keine Taxis hier in
Cadillac, Miss.«
    Judy blieb stehen, die Hand auf dem Geländer. Es war
glattgeschliffen und fettig. »Keine Taxis? Wie kommt man dann
hier in Cadillac von einem Ort zum anderen?«
    »Wir haben Autos«, sagte er angeekelt.
    Judy ging zurück zum Empfangstisch, griff darunter, um den
Fernseher abzuschalten, und warf einen langen, harten Blick unter
seinen Buffalo-Bill-Schirm. Dann sagte sie leise und freundlich:
»Finden Sie mir sofort jemanden, der mich in seinem oder ihrem Auto fährt – gegen eine Gebühr, so, als
wäre es ein Taxi. Jemanden, der für eine Stunde leichter
Arbeit vierzig Dollar verdienen möchte. Jemand, der umgehend
hier sein kann. Und das tun Sie jetzt sofort, verstanden?«
    Der Junge blinzelte. »Also, ich…«
    »Ich hole meine Jacke. Falls kein ›Auto‹ vor der
Tür steht, wenn ich zurück bin, möchte ich den
Direktor sprechen. Das wäre alles, vielen Dank.«
    Als Judy wieder nach unten kam, stand ein pickeliger Junge, der
noch keine zwanzig war, in der Halle und klimperte mit
Wagenschlüsseln. »Vierzig Dollar für eine Stunde,
richtig? Und ich brauche Sie bloß rumzufahren,
richtig?«
    »Richtig.«
    »Gemacht«, sagte er und führte Judy zu einem
Kleinlaster, der so dick mit Streusalz bedeckt war, daß die
blauen Kotflügel grau aussahen.
    »Wohin mit uns?« fragte der Junge leutselig. Er schien
aufgeregt angesichts der ungewöhnlichen Unterbrechung seines
Tagestrotts – oder angesichts des Geldbetrages oder angesichts
der Möglichkeit, daß Judy übergeschnappt sein
könnte.
    Sie sagte: »Wissen Sie, wie man zur Siedlung der Streiter des
göttlichen Bundes kommt?«

Cavanaugh
und Lancaster saßen im Büro des letzteren in Boston und
starrten auf den Lautsprecher des Telefons auf Lancasters
Schreibtisch, als wäre er ein denkendes Wesen. Es war Dienstag,
14 Uhr 30. Am zweiten Ende der Konferenzschaltung in Washington
saßen Felders, Bundesanwalt Jeremy Deming und Patrick Duffy,
Direktor der Ermittlungsabteilung des FBI. Der dritte Teilnehmer,
Mark Lederer, hatte das Biomedizinische Institut Boston früher
als sonst verlassen und befand sich im Haus seiner

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