Verico Target
Schwester in
Waltham, Massachusetts, nachdem er dieser zuvor von seinem
angezapften Telefon aus seinen Besuch angekündigt hatte, weil
Mutters besorgniserregender Gesundheitszustand dringend
persönlich besprochen werden sollte. Im Laufe dieses
Gesprächs vernahm Cavanaugh im Hintergrund einen wilden Ausbruch
von Fröhlichkeit, der sich anhörte wie drei Dutzend
Kinder.
Cavanaugh wünschte, er könnte in Lederers Gesicht sehen.
Und obwohl er sich Duffy vorstellen konnte, der mit fünfzig
immer noch über das prachtvolle Äußere eines
schwarzhaarigen Vollblut-Iren verfügte und sich kleidete wie ein
englischer Dandy, wünschte sich Cavanaugh dennoch, auch sein
Gesicht vor sich zu haben. Seine Reaktionen abschätzen zu
können. Zu sehen, wie überzeugend alles auf ihn wirkte.
Sinnlos, in Lancasters Gesicht zu blicken. Er war nicht
überzeugt und würde sich nicht überzeugen lassen. Doch
einer seiner Agenten war tot, und Lancasters Ausdruck war der pure
heilige Krieg.
»Erklären Sie es so einfach wie nur möglich,
Doktor«, sagte Duffy. »Tut mir leid, wenn wir alle langsam
von Begriff sind, aber keiner von uns versteht etwas von
Biotechnik.«
Duffy war nicht langsam von Begriff. Duffy hatte die
Ausgangssituation bereits begriffen, aber nun wollte er Details, um
nach Schlupflöchern Ausschau halten zu können, nach
möglichen Ansatzpunkten.
»Also gut«, sagte Lederer. Seine Stimme klang ruhig, er
hatte sich und seine nervliche Belastung gut unter Kontrolle. Lederer
hatte genau kalkuliert, wieviel Risiko er einging und eingehen wollte
– und nicht viel mehr als dieses sorgsam geplante
Konferenzgespräch war dabei herausgekommen. Er wog die
Bedeutsamkeit und Tragweite dessen, was er offenbarte, gegen die
Sicherheit seiner Familie ab. Der Gedanke drängte sich Cavanaugh
auf, daß Lederer einen guten Agenten abgegeben hätte.
»Ben Kozinski beschäftigte sich mit Hüllproteinen.
Das sind Proteine, aus denen die Außenseiten von Viren
bestehen, auch die von gentechnisch veränderten Viren. Ein Virus
dringt in eine gesunde Zelle ein, indem es an der Außenwand der
Zelle festmacht, sich damit verbindet, die aneinanderliegenden Teile
der Zwischenwände auflöst und seine viralen Proteine in die
Zelle einbringt, wo sie sich in der Folge ungehindert
vermehren.«
»Klar, soweit«, sagte Duffy.
»Der Körper wehrt sich gegen Viren, indem er T-Zellen
erzeugt, die sie zerstören können. Auch die T-Zellen machen
an bestimmten Stellen fest, Rezeptoren genannt. Aber bevor eine
T-Zelle damit beginnt, sich zu vermehren und anschließend
Eindringlinge zu vernichten, muß sie erst entscheiden, welche
von den Proteinen körpereigene sind und da sein dürfen
– im Gegensatz zu nicht körpereigenen, die daher
zerstört werden müssen. Tatsächlich gibt es
Krankheiten, bei denen die Fähigkeit des Körpers, diesen
Unterschied zu erkennen, nicht funktioniert, und dann spielen die
T-Zellen verrückt und zerstören entweder eigenes
Körpergewebe oder unterlassen es, fremde Zellen zu
zerstören.«
Vergleichbar mit manchen Aktionen der Polizeibehörde, dachte
Cavanaugh, aber er sagte es nicht laut.
»Und nun muß ich ein wenig ins Technische gehen«,
fuhr Lederer fort. »Also passen Sie auf. Die Zellen des
Körpers enthalten zwei miteinander verwandte Molekülarten,
und zwar den Histokompatibilitätskomplex Klasse I – oder HK
I – und den Histokompatibilitätskomplex Klasse II –
oder HK II. Die Aufgabe dieser Moleküle ist es, Material aus dem
Zellinneren -Peptide oder Antigene – aufzunehmen und zu einer
T-Zelle zu transportieren, die auf der Zelloberfläche sitzt. Die
T-Zellen erkennen, ob das Material körpereigen ist oder nicht.
Falls es sich um körpereigenes handelt, – dann unternehmen
die T-Zellen nichts. Falls die Peptide oder Antigene nicht
körpereigene sind, beginnen die T-Zellen, den Körper zu
verteidigen.«
Cavanaugh griff nach Papier und Bleistift von Lancasters
Schreibtisch und begann zu zeichnen.
Cavanaugh dachte daran, das Blatt Lancaster
hinüberzuschieben, ließ es dann aber sein.
»Ein springender Punkt bei den
Histokompatibilitätskomplexen ist«, fuhr Lederer fort,
»daß diese Moleküle bei jedem Menschen einzigartig
sind. Jeder Mensch hat nur zwei Gene für jede HK-Klasse, und so
sind die HKs – ausgenommen bei eineiigen Zwillingen – so
individuell verschieden wie Fingerabdrücke.«
Da kritzelte Cavanaugh VOLLTREFFER! unter seine Zeichnungen.
»Was Ben nun mit Retroviren machte, war,
Weitere Kostenlose Bücher