Verico Target
und öffnete die
Wagentür. Wieder kippten ihre Beine fast unter ihr weg. Schwer
atmend lehnte sie sich an die Corvette.
Im Vorgarten des Reihenhauses blühte es üppig. Gelbe
Ringelblumen, gelbe Chrysanthemen, orangefarbene Lilien auf hohen
Stielen. Judy starrte die Blumen an, bis sie vor ihren Augen zu einem
einzigen gelben Farbklecks verschwammen.
Sie drückte so fest auf den Klingelknopf, daß ihr der
Finger wehtat.
Caroline Lampert brauchte eine Weile, bis sie zur Tür kam.
Als sie schließlich öffnete, wurden ihre Augen
groß.
Ohne Einleitung sagte Judy: »Hat mein Mann diese Blumen
zusammen mit Ihnen gesetzt?«
»Wie bitte?«
»Sie haben mich doch verstanden. Das sind die Farben, die
mein Mann immer gesetzt hat. Hat er sie auch bei Ihnen gesetzt? Denn
wenn er das getan hat…«
In Carolines Augen tauchte etwas auf – etwas Qualvolles,
Wundes. Sie war einen Kopf größer als Judy, schlank und
ohne jede Rundung, und wirkte fast wie ein schlaksiger Junge. Sie
trug einen verwaschenen grünen Bademantel aus Frottee.
Zögernd sagte sie: »Judy, es ist halb fünf Uhr
morgens…«
»Eine unpassende Zeit für Besuche? Aber für den
Besuch meines Mannes bei Ihnen war die Zeit schon passend,
oder?«
Caroline legte die Hand über die Augen. Die theatralische
Geste erfüllte Judy mit Verachtung, und die Verachtung sandte
Kraft in ihre Beine, so daß sie aufhörten zu beben.
»Sie dachten wohl, ich würde nichts argwöhnen,
nicht wahr? Die gute, verläßliche Caroline Lampert, die
perfekte Forschungsassistentin, das Arbeitstier, immer bereit, noch
irgendeine Plackerei zu erledigen… Nein, die dumme kleine Judy
würde doch niemals Caroline verdächtigen…!«
»Bitte nicht…!« flüsterte Caroline.
»Was nicht? Er war mein Mann! Und wissen Sie was? Sie
hatten recht, ich hatte Sie nicht in Verdacht, nicht Sie, nicht
Caroline, die immer ihr himmlisches Pesto aus getrockneten Tomaten
mit auf die Parties brachte und sich spät nachts noch um die
Destillierapparate im Labor kümmerte, damit wir zum Wochenende
wegfahren konnten, und die immer… wie konnten Sie das tun, wie konnten Sie… ?« schrie sie.
Im Nachbarhaus ging das Licht an.
Caroline schluchzte: »Ich liebte ihn auch.«
»Lieben?« kreischte Judy. »Lieben? Sie
nennen das Liebe, wenn man einer anderen den Mann wegnimmt und
ihn heimlich auf dem Labortisch vögelt? Oder hat das keinerlei
Bedeutung mehr? Offenbar nicht, Ehebruch ist ja etwas völlig
Natürliches, keine große Sache, das ist schick und
intellektuell! Aber nicht für mich! Verstehen Sie, Caroline? Wir
sind nicht diese Art von Leuten, Ben und ich, für uns bedeutet
das mehr, wir haben uns entschlossen zu heiraten…«
Im Nachbarhaus auf der anderen Seite ging das Licht an; hinter
Judy bog ein Wagen in die Einfahrt. Sie fuhr fort zu kreischen und zu
brüllen, die Hände zu Fäusten geballt, und die
Tränen strömten ihr übers Gesicht.
»Wir gehören nicht zu dieser Sorte Menschen, verstehen
Sie? Ben und ich glauben an unsere Ehe, auch wenn sie nicht perfekt
ist! Aber sie ist Realität, und dann kommt eine Schlampe wie Sie
und… Meine Güte, was mache ich denn nur!«
Caroline schluchzte hart auf, den Kopf in den Händen
vergraben. Der Gürtel ihres Bademantels war aufgegangen;
darunter trug sie ein Nachthemd aus blassem Flanell. Irgendwo wurde
eine Tür aufgestoßen und zugeknallt. Judy konnte kaum mehr
etwas sehen. Welle um Welle schwärzester Finsternis schlug
über ihr zusammen; Schwindelanfälle erfaßten sie wie
bei einer nicht enden wollenden Seekrankheit, doch ohne die
Erleichterung, sich übergeben zu können. Sie streckte die
Hand aus, um sich irgendwo festzuhalten, aber das Vordach hatte keine
Stützpfeiler, und so landete ihre Hand auf Carolines Schulter.
Eine Gestalt näherte sich von der Zufahrt des Nachbarhauses.
»Judy«, sagte jemand leise.
»Caroline, brauchst du Hilfe?« rief eine
Männerstimme.
»Gehen Sie!« schluchzte Caroline. »Gehen Sie doch
endlich und lassen Sie mich in Ruhe…!«
Mit klarer, ruhiger Stimme, viel klarer und ruhiger als alles
andere, was sie zuvor gesagt hatte, erklärte Judy: »Das bin
nicht ich.«
»Gehen Sie doch endlich!«
»Miss«, rief die Männerstimme von vorhin, »ich
weiß nicht, wer Sie sind, aber ich finde, Sie sollten jetzt
besser verschwinden…!«
»Das bin ich nicht«, wiederholte Judy mit derselben
ruhigen, klaren Stimme. In der kalten Luft vibrierten die Worte ein
wenig. Ihr Sehvermögen kehrte zurück. Sie starrte
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