Verico Target
seine
wissenschaftliche Beraterin bei diesem Fall war, eigentlich die ganze
Zeit? »Haben Sie Ihrer Mutter oder dem Postbeamten gesagt, wohin
Sie reisen wollen? Haben Sie es irgend jemandem gesagt?«
»Nein. Meine Mutter hätte bloß… oh, warten
Sie mal. Ich erwähnte es heute früh, als ich mit der
Taxivermittlung sprach. Ich wollte einen Vorwand haben, um mich
vorzuschwindeln.«
»Um – was?«
Zum erstenmal lächelte sie leicht. »Mich
vorzuschwindeln. Sie wissen, wenn die Kinder sich in einer Reihe
anstellen, und eines drängt sich vor, dann brüllen alle
anderen: ›Herr Lehrer! Er hat sich vorgeschwindelt!‹ Sagen
das die Kinder nicht? Dort, wo Sie herkommen?«
»Nein.«
»Na ja, jedenfalls wollte ich mich bei der langen Reihe der
Leute, die auf ein Taxi warteten, vorschwindeln und sagte zu der
Telefonistin, daß ich unbedingt zu einer Wissenschaftlertagung
ins St. Moritz in New York müßte.« Sie sah ihn
unverwandt an.
»Sie wollen damit sagen, daß mein Telefon abgehört
wird, nicht wahr? Oder mein ganzes Haus? Von demjenigen, der versucht
hat, mich umzubringen?«
Cavanaugh sah keinen Vorteil darin, sie anzulügen. Noch
nicht. »Ja.«
»Und wer hat versucht, mich umzubringen?«
»Haben Sie eine Zimmerreservierung im Hotel St.
Moritz?«
»Ja«, sagte sie. »Wer hat versucht, mich
umzubringen?«
»Wie haben Sie die Reservierung vorgenommen? Telefonisch?
Schriftlich?«
»Telefonisch, aber nicht über dieses Telefon hier. Am
Thanksgiving-Tag, auf dem Heimweg von meinem Elternhaus in Troy
hierher nach Natick. Ich blieb bei einem Münztelefon am
Massachusetts Turnpike stehen und habe von dort im St. Moritz
angerufen. Ich mußte an diesem Tag einfach irgend etwas in
dieser Richtung tun. Ich mußte einfach. Und ich
mußte unbedingt zu dieser Tagung.«
»Warum?«
»Mister Cavanaugh«, sagte sie mit ruhiger Stimme und
erhob sich, »bevor ich weitere Fragen beantworte, möchte
ich wissen, welches Interesse das FBI an dieser Sache hier hat.
Außerdem möchte ich wissen, wer mich umbringen will, und
alles, was Ihnen über den Mörder meines Mannes bekannt
ist.«
Cavanaugh betrachtete sie nachdenklich. Es fiel ihm schwer zu
glauben, daß das hier dieselbe Frau war, die er vor fünf
Monaten vernommen hatte. Irgend etwas hatte sich in der Zwischenzeit
mit ihr zugetragen, irgend etwas war anders an ihr. Er entsann sich,
daß sie als Journalistin arbeitete. Was immer in ihrem Innern
vorgegangen war, es hatte sie dazu gebracht, ihre fachliche
Gewandtheit in ihr Privatleben einzuflechten. Und jetzt handelte sie
mit ihm – in der Währung, in der Journalisten zu handeln
pflegen: in Informationen. Nur wußte sie noch nicht, daß
er die bessere Verhandlungsposition innehatte, denn er konnte
verwenden, was sie ihm sagte, aber ihr würde die Nutzung dessen,
was er ihr sagte, verwehrt sein, weil sie demnächst in
Schutzverwahrung festsitzen würde, wo sie sicher war und wo sie
seine Ermittlungen nicht stören konnte.
»Das FBI hat deshalb Interesse an der Angelegenheit«,
sagte er, »weil wir denken, daß die Firma Verico, wo Ihr
Mann wegen einer eventuellen Einstellung Gespräche führte,
Verbindungen zum organisierten Verbrechen haben könnte.
Möglicherweise wurde er wegen eben dieser Verbindungen
getötet. Und der Überfall auf Sie könnte aus derselben
Quelle stammen.«
Sie zuckte nicht zusammen, aber sie ließ sich im
Zeitlupentempo auf das Sofa zurücksinken. Der Vorgang ließ
sie sehr klein erscheinen. Ihre Augen sahen ihn unverwandt an.
Cavanaugh setzte sich auch hin, um zu vermeiden, daß er beinahe
drohend neben ihr aufragte.
»Was für Verbindungen? Zwischen Verico und… dem
organisierten Verbrechen?«
»Das wissen wir noch nicht. Vielleicht hat es mit der
wissenschaftlichen Tätigkeit bei Verico zu tun. Was hat Eric
Stevens Ihnen am 18. November gesagt, als Sie nach New Jersey fuhren,
um mit ihm zu reden?«
Ihre Augen wurden noch größer, ehe sie sich zu schmalen
Schlitzen verengten. Cavanaugh konnte verfolgen, wie sie eins und
eins zusammenzählte: das zeitgerechte Auftauchen Dollings, um
sie vor dem Killer zu retten, Cavanaughs Kenntnis von ihrer Fahrt zu
Verico, das abgehörte Telefongespräch, aus dem hervorging,
daß sie nach New York fahren wollte.
»Sie… die Leute dort wollten nicht, daß ich auf
der Biotechniker-Tagung Fragen stelle.«
Er sah sie aufmerksam an. Wenn sie als Journalistin etwas taugte,
dann konnte sie auch perfekt lügen, aber Cavanaugh dachte nicht,
daß sie jetzt
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