Verirrte Herzen
ihre Überlegungen.
Anne hatte keine Ahnung, was Caro ihr eben erzählt hatte. Sie fuhr sich durch ihre braunen Locken. Mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, war noch nie ihre große Stärke gewesen. »Oh, entschuldige. Ich habe nur gerade darüber nachgedacht, was ich noch einkaufen muss.«
»Alles klar, kein Problem. Wir sehen uns heute Abend. Ich versuche, nicht zu spät zu kommen«, verabschiedete sich Caro ziemlich eilig, die es nicht gewohnt war, dass ihre Freundin sich mit anderen Dingen beschäftigte, während sie mit ihr sprach.
Nachdem Lilly und Anne gemeinsam ihre Suppe gegessen hatten, füllte Anne noch eine Waschmaschine und hetzte dann mit Lilly in den nächsten Supermarkt.
Abends war Anne richtig froh, als Lilly im Bett lag und sie sich endlich zu Caro aufs Sofa setzen konnte. Sie war müde und erschöpft. Anne legte ihren Kopf an Caros Schulter und schloss die Augen. Den ersten Tag hatte sie überstanden.
»Vier Stunden mehr Zeit am Vormittag machen eine Menge aus«, teilte sie Caro unvermittelt mit.
Caro blickte kurz zu ihr auf und murmelte eine kaum verständliche Zustimmung, bevor sie sich wieder ihrer Lektüre zuwandte.
»Es ist wirklich anstrengend, Mutter, Hausfrau und gleichzeitig berufstätig zu sein«, fügte Anne hinzu.
Erneut kam von Caro keine richtige Antwort. Sie war voll und ganz ins Lesen vertieft.
»Meinst du, du kannst zwischendurch auch einmal einkaufen gehen?« fragte Anne.
Nun löste sich Caro endlich von ihrem Buch und sah Anne überrascht an. Sie überlegte einen Moment. Mit ihren Fingern rieb sie sich über die gerunzelte Stirn. »Ehrlich gesagt, ich glaube kaum, dass ich das schaffe.«
Anne starrte sie ungläubig an. Hatte sie das jetzt richtig gehört? Aber das konnte ja wohl nicht sein.
»Ich muss immer lange arbeiten und weiß nie, wann ich Feierabend machen kann. Du bist doch ab Mittag hier«, ergänzte Caro. Der Vorwurf in ihren Augen war kaum zu übersehen.
Eigentlich hatte Anne jetzt gar keine Lust zu diskutieren. Sie wollte nur noch in ihr Bett und schlafen. Doch das konnte sie nicht so stehenlassen. Natürlich hatte Caro weniger Zeit als sie, aber dennoch konnte sie doch auch eine Aufgabe übernehmen. »Ich arbeite jetzt auch«, sagte Anne bemüht ruhig. »Da kann ich nicht den ganzen Haushalt allein bewältigen.«
Caro verdrehte genervt die Augen. »Also gut. Ich gehe nächstes Mal einkaufen. Aber das kann nicht zur Gewohnheit werden«, fügte sie hinzu. Versöhnlich nahm sie Anne in den Arm, die das nur widerwillig geschehen ließ.
Sicherlich war darüber noch nicht das letzte Wort gesprochen. Wenn Caro zu jeder Aufgabe erst überredet werden musste, würde es ein großes Problem geben, davon war Anne überzeugt.
Lilly hatte ihren Eisbecher schon beinahe leergelöffelt. Fast zwanzig Minuten warteten Anne und ihre Tochter nun schon auf Caro. Sie wollten sich während Caros Mittagspause kurz in einem kleinen Eiscafé treffen. Annes Eltern hatten sich gestern spontan für einen Besuch am Abend angekündigt, und Caro hatte sich bereiterklärt, in einem italienischen Feinkostladen, der direkt gegenüber ihrer Kanzlei lag, ein wenig Antipasti und einen guten Wein zu besorgen. Damit konnte man Annes Eltern, die jede Möglichkeit nutzten, um nach Italien in den Urlaub zu fahren, immer eine Freude machen.
Da es ungewiss war, ob Caro heute rechtzeitig Feierabend machen konnte, hatte sie Anne versprochen, ihr die Einkäufe bereits in der Mittagspause auszuhändigen.
Anne und Lilly waren direkt aus dem Kindergarten hierhergekommen, und seitdem warteten sie. Caro hatte keine Nachricht hinterlassen und auch nicht versucht sie anzurufen.
»Mama, dein Eis ist ja gleich ganz geschmolzen«, stellte Lilly fassungslos fest. Ihr wäre so etwas sicher nie passiert.
Lustlos stocherte Anne in ihrem Schokoladen-Becher herum. Sie starrte aus dem Fenster. Ob es jemals passieren würde, dass Caro pünktlich kam und sie nicht versetzte?
In diesem Moment parkte Caro ihren Wagen nicht weit vom Eiscafé entfernt. Mit wehenden Haaren eilte sie auf die Eisdiele zu. Schwungvoll stieß sie die Tür auf und kam völlig außer Atem auf die beiden zu. Sie gab Anne einen flüchtigen Kuss und ließ sich auf einen freien Stuhl fallen. »Ich habe es einfach nicht eher geschafft. Tut mir leid.« Entschuldigend zog sie ihre Augenbrauen hoch.
Verständnislos schüttelte Anne den Kopf. Es war immer wieder das alte Muster. »Du hättest wenigstens anrufen können«, zischte sie Caro
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