Verirrte Herzen
hing.
Sie setzten sich um den Wohnzimmertisch. Heide und Franz nahmen auf der Couch Platz, Lilly saß auf dem Schoß ihrer Oma. Anne und Caro setzten sich auf den Zweisitzer.
Anne schenkte den Wein ein. In einem intensiven Rubinrot schimmerte der Brunello di Monatalcino in ihren Gläsern. Ein herrlicher Geruch von Veilchen und Vanille strömte in ihre Nasen.
Genüsslich probierten sie die italienischen Köstlichkeiten. Nur Lilly war davon wenig begeistert, aber Anne hatte ihr vorsorglich ein Butterbrot und ein Stückchen Fleischwurst hingestellt. Damit konnte sie ihre Tochter immer überzeugen.
»Oma, kommst du mit mir spielen?« wollte Lilly von ihrer Großmutter wissen, nachdem endlich alle aufgegessen hatten. Die Erwachsenen langweilten sie. Außerdem kannte ihre Oma ihr neues Bilderbuch noch nicht.
Heide konnte ihrer Enkelin nie widerstehen und folgte ihr ins Kinderzimmer. »Ich komme gleich wieder«, erklärte sie, während Lilly an ihrer Hand zerrte.
Unterdessen erzählte Franz den beiden Frauen vom letzten gemeinsamen Urlaub mit seiner Frau, den sie wie alle vorhergehenden in Italien verbracht hatten. Dieses Mal waren sie in einem Ferienhaus in der Toskana gewesen.
»Es war einfach herrlich«, schwärmte Annes Vater. »Ihr solltet dort auch einmal Urlaub machen.«
Schon seit Jahren versuchte Franz seine Tochter von den Vorzügen Italiens zu überzeugen, aber Anne teilte die Leidenschaft ihrer Eltern für dieses Land nicht. Sie konnte sich mehr für Spanien begeistern. Zur Zeit hatten sie und Caro allerdings ohnehin keinen Urlaub geplant, auch wenn es ihnen sicher guttun würde, einmal so richtig auszuspannen.
»Gönnt euch doch einen Sommerurlaub. Caro, du kannst sicher ein wenig Erholung gebrauchen. Ich kenne das. Wenn einen die Arbeit zu ersticken droht, muss man einfach die Flucht ergreifen «, schlug Franz vor. Er war als selbständiger Steuerberater tätig. Das bedeutete jede Menge Stress und praktisch keine Freizeit.
Caro nickte. Manchmal schien die Arbeit sie tatsächlich zu erdrücken.
Als es Zeit für Lilly war, schlafen zu gehen, sah Anne nach ihrer Tochter, die darauf bestand, von ihrer Oma ins Bett gebracht zu werden.
»In Ordnung. Ich lese dir noch eine kleine Geschichte vor, und nächste Woche kommst du uns mal besuchen. Wenn du möchtest und die Mama nichts dagegen hat, kannst du ja auch bei uns übernachten«, versprach Heide ihrer Enkelin.
Lillys Augen leuchteten. Selten war es so leicht, sie ins Bett zu bekommen.
»So, Anne, erzähl uns doch endlich von deiner neuen Arbeit«, forderte ihr Vater. Heide hatte wieder neben ihm Platz genommen, nachdem Lilly eingeschlafen war.
»Es macht mir sehr viel Spaß.« Anne strahlte, während sie ihren Eltern von der ersten Woche in der Praxis berichtete.
»Am nächsten Montag werde ich den Vertrag unterschreiben. Herr Kleinemann meinte heute, dass er sich sehr freuen würde, wenn ich das Team verstärke. Er ist sehr zufrieden mit mir.« Ein Lächeln begleitete Annes Ausführungen.
»Das freut mich für dich«, sagte ihr Vater ehrlich.
»Und wie geht es dir damit, Caro?« fragte Heide plötzlich.
Überrascht sah Caro sie an. Mit einer so direkten Frage hatte sie nicht gerechnet. »Na ja, es ist nicht ganz einfach«, antwortete sie schließlich. Eigentlich wollte sie ihre Beziehungsprobleme nicht mit Annes Eltern besprechen.
»Ich kann mir das gut vorstellen«, stimmte Franz zu. »Als Heide damals wieder in den Beruf eingestiegen ist, war das eine große Umstellung für uns alle.« Er kniff seine Augenbrauen zusammen und sah seine Frau erwartungsvoll an..
»Anne war damals gerade zwölf Jahre alt. Ich hatte beschlossen, wieder als Bürokauffrau zu arbeiten, da mir sonst zu Hause irgendwann die Decke auf den Kopf gefallen wäre. Aber am Anfang war es wirklich schwer für uns. Franz musste schon immer lange arbeiten, manchmal habe ich abends schon geschlafen, wenn er Feierabend hatte, und ich sollte nebenbei ja auch noch unsere Tochter erziehen und den Haushalt in Ordnung halten. In den ersten Wochen habe ich mich ganz schön überfordert gefühlt. Ich habe sogar daran gedacht, alles hinzuschmeißen.«
Es kam Anne vor, als spräche die Mutter ihre eigenen Gedanken und Empfindungen aus. Nachdenklich presste sie die Lippen aufeinander und verschränkte die Hände ineinander.
Franz lächelte seine Frau liebevoll an. »Ja, es hat lange gedauert, bis ich endlich so weit war, Heide zu unterstützen. Ich glaube, es gab eine Zeit, da hätte sie
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