Verirrte Herzen
dass Anne so plötzlich, ausgerechnet an diesem Wochenende, alles ändern wollte?
Anne erhob sich aus ihrem Stuhl, stemmte die Hände in die Hüften und fauchte: »Lilly und ich kommen doch immer erst an zweiter Stelle nach deiner verfluchten Kanzlei. Wie es mir geht, ist dir doch völlig egal. Kümmere dich nur weiter um die Arbeit. Aber wundere dich nicht, wenn wir eines Tages nicht mehr hier sind.«
Nun platzte auch Caro der Kragen. »Jetzt hör mir mal zu. Du hast dich mir wochenlang entzogen, hast nur das Nötigste mit mir gesprochen. Wenn ich dich berühren wollte, wenn ich dich küssen wollte, bist du unter fadenscheinigen Ausreden geflohen. Egal, was ich gemacht habe, es war nie das richtige. Wie um alles in der Welt sollte ich auf die Idee kommen, dass nun plötzlich der Zeitpunkt gekommen ist, wo du auf einmal wieder meine Nähe suchst?«
»Du hast doch alles vernichtet, indem du mich immer wieder aufs neue verletzt hast. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft du mich versetzt hast. Und deine tolle Unterstützung im Haushalt, die du mir versprochen hattest, hielt gerade mal eine Woche an. Ich muss alles allein machen, damit Frau Rechtsanwältin ihre Karriere nicht gefährdet.« Anne zog ihre Augenbrauen zusammen und sah Caro wütend an. Ihr Gesicht war rot.
»Wieso zum Teufel soll ich an allem schuld sein?« schrie Caro zurück. Du musst doch nicht arbeiten, wenn es dir zu viel wird. Mein Geld reicht vollkommen aus. Aber du wolltest es doch so. Ich habe dich so gut es ging bei deiner Entscheidung unterstützt. Ich stehe immer hinter dir, um dir den Rücken zu stärken«. Mit einem lauten Knall fiel Caros Stuhl zu Boden, als sie aufsprang.
Dem gab es nichts mehr hinzuzufügen. Anne stampfte wütend ins Schlafzimmer und warf sich mit voller Wucht aufs Bett. Sie starrte an die Decke. Sie versuchte gleichmäßig ein- und auszuatmen. Aber es half nichts. Sie hatte das Gefühl, gleich zu platzen. Ihre Hände verkrampften sich zu Fäusten und bohrten sich in die Bettdecke. Sie wollte Caro heute nicht mehr sehen.
Im Wohnzimmer saß Caro auf der Couch, die angewinkelten Beine eng umschlungen. Regungslos verharrte sie in dieser Position. Vielleicht hatte sie nun endgültig alles zerstört. Tränen liefen ihre Wangen hinunter und hinterließen einen brennenden Schmerz in ihrer Brust. Caro schluchzte. Anne war die Frau, mit der sie ihr Leben teilen wollte. Warum machte sie es ihr manchmal nur so schwer? Sie hatte sich in den letzten Wochen so sehr bemüht, alles perfekt zu machen. Sie fand keine Kraft, sich zu erheben, um noch einmal mit Anne zu sprechen. Sie würde auf dem Sofa schlafen. Morgen sah die Welt sicher wieder anders aus.
Sie schliefen beide nicht gut in dieser Nacht.
Entgegen aller Gewohnheit empfing Anne nicht der Duft frischen Kaffees, als sie am nächsten Morgen die Küche betrat. Die Wohnung war kalt und leer. Vorsichtig warf sie einen Blick ins Wohnzimmer. Caro war nicht mehr da. Sie musste schon zur Arbeit aufgebrochen sein, ging ihr einfach aus dem Weg. Sie machte es sich verdammt einfach.
Anne hatte keinen Hunger. Sie kochte sich nur einen Kaffee.
Einsam nahm sie am Küchentisch Platz. Ihre Finger trommelten auf die Tischplatte, während sie krampfhaft versuchte sich von dem Streit mit Caro abzulenken und an etwas anderes zu denken. Sie ließ ihre Augen durch die Küche schweifen. Die Wände könnten frisch gestrichen werden. Ein neuer Kühlschrank wäre auch dringend nötig.
Annes Blick fiel auf das gemeinsame Foto von Lilly, Caro und ihr selbst, das am Küchenschrank hing. Ihr Herz begann bedrohlich laut zu pochen, ihr Blut kochte. Ihre Augen verengten sich zu einem kleinen Spalt. Sofort waren die schäbigen Worte, mit denen sie beide um sich geworfen hatten, wieder in ihrem Kopf.
Sie machte sie sich auf den Weg zur Arbeit. Sie musste hier raus. Der Kaffee blieb unberührt auf dem Esstisch stehen.
Regen prasselte auf Anne nieder, als sie vor die Haustür trat. Es war kalt. Schnellen Schrittes eilte sie zur Praxis, wo sie sich schleunigst ins Trockene rettete.
Sie konnte sich heute kaum auf ihre Patienten und Patientinnen konzentrieren. Ihre Gedanken kreisten um Caro. Es hätte alles so schön werden können am Wochenende. Aber nein, wieder einmal spielte die Arbeit die erste Geige im Leben von Frau Wagner.
Gleich hatte sie es geschafft. Nur noch ein Patient wartete auf sie, ehe der Feierabend sie rettete. Aber zurück in die leere Wohnung wollte sie auch nicht. Und Caro begegnen
Weitere Kostenlose Bücher